Dokumentarfilm „Citizenfour“: Kammerspiel mit Snowden

Berlin (dpa) - Laura Poitras half Edward Snowden, das Ausmaß der Überwachung durch amerikanische Geheimdienste aufzudecken. Nun ist ihr Dokumentarfilm dazu fertig. Das Werk will mehr sein als ein „Snowden-Film“.

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Gleich zu Anfang des Films erklingt die Stimme der Frau, ohne die es die Snowden-Enthüllungen vielleicht nicht gegeben hätte. „Laura“, liest Laura Poitras vor. „Zu diesem Zeitpunkt kann ich dir nichts weiter anbieten außer mein Wort. Ich bin ein hochrangiger Mitarbeiter der Geheimdienste.“ Mit dieser E-Mail von Edward Snowden an Laura Poitras beginnt die Geschichte des größten Geheimdienst-Skandals der letzten Jahre.

Snowden nennt sich „Citizen Four“ und verspricht: „Das wird keine Zeitverschwendung für dich.“ Nach einem beispiellosen Enthüllungsjahr hat Poitras nun ihren Dokumentarfilm zum Thema fertiggestellt. Auch er heißt „Citizenfour“ und wird am Freitag (17.10.) beim BFI London Film Festival gezeigt - am 6. November kommt er in Deutschland ins Kino.

Poitras spielt in dieser Geschichte eine Schlüsselrolle. Nur sie konnte zu Anfang Snowdens technische Anforderungen erfüllen, um zu verhindern, dass jemand ihre E-Mails mitlesen könnte. Poitras arbeitete seit Jahren an Filmen, die einen kritischen Blick auf die Rolle der USA im „Kampf gegen den Terror“ warfen. Sie filmte im Irak und in Jemen. Auf ihren Reisen wurde sie Dutzende Male an der US-Grenze aufgehalten und befragt, ihre Unterlagen wurden beschlagnahmt. Um ihr Material zu schützen, wurde sie gezwungenermaßen zur Expertin für Verschlüsselung. „Du fragst, warum ich dich ausgewählt habe“, schreibt ihr Snowden. „Das habe ich nicht. Du hast das getan.“

Bis Snowden auf der Leinwand auftaucht, dauert es eine Weile. Poitras schildert erst die Warnungen anderer, die ihre Behauptungen nie zweifelsfrei belegen konnten. William Binney kommt zu Wort, ein ehemaliger ranghoher NSA-Mitarbeiter. Er lehnte sich gegen das Programm „Stellar Wind“ auf, mit dem der Auslandsgeheimdienst massenhaft US-Bürger überwachte. Es folgten Hausdurchsuchungen und Ermittlungen - nicht bei den Verantwortlichen, sondern bei Binney. Das schafft die bedrohliche Kulisse für Snowdens Schritt.

Snowden ist nach etwa 25 Minuten das erste Mal zu sehen. Für die nächste Stunde wird der Film zum Kammerspiel in Hongkonger Hotelzimmern. Schlag auf Schlag erfahren Poitras und der Enthüllungs-Journalist Glenn Greenwald von dem gewaltigen Netz an Überwachungsprogrammen. Hier bereiten sie die Enthüllungen vor, die kurz darauf die Öffentlichkeit schockieren werden. Die Stimmung ist klaustrophob, das eigene Handeln wiegt schwer.

Doch trotz der räumlichen Enge schafft der Film kaum emotionale Nähe. Snowden hat seinen Weg bereits gewählt, Raum für Zweifel bleiben nicht mehr. Was genau gab den Ausschlag für ihn, tausende geheim gehaltene Dokumente zu sammeln und sein Leben auf den Kopf zu stellen? Seine Motive sind so erhaben, dass sie unnahbar wirken. Nur einmal ringt er sichtbar mit sich, als er mit seiner Freundin chattet, die nichts von seinem Vorhaben weiß.

Dabei geben die menschlichen Beziehungen dem Kampf gegen den übermächtigen Schatten-Apparat der Geheimdienste einen Sinn. Einmal macht Snowden sich über Greenwald lustig. „Dein Passwort ist etwa vier Zeichen lang“, sagt Snowden, viel zu einfach zu knacken. „Es sind zehn“, protestiert Greenwald. „Ich tippe schnell.“ Der kurze Wortwechsel macht die Auswirkungen der Überwachung und die Angst davor greifbar.

Doch solche Augenblicke sind selten. Für Zuschauer ist das eine hohe Messlatte, zumal der Film auf Englisch mit Untertiteln läuft. Der bedrohlichen Stimmung in Hongkong zum Trotz weiß man außerdem, dass Snowden es bis nach Russland geschafft hat, wo er Asyl bekam. Inzwischen ist seine Freundin zu ihm nach Moskau gezogen, wie der Film zeigt.

Poitras arbeitete schon an einem Film über die Überwachung der US-Geheimdienste, als Snowden sie kontaktierte. Das ist „Citizen Four“ anzumerken. Der Film will kein „Snowden-Film“ sein, er will die Vorkämpfer zeigen, will deutlich machen, wie lange die NSA schon an ihren Überwachungsprogrammen arbeitet und wie schwer es ist, dagegen anzukämpfen. Jede dieser Geschichten wäre einen eigenen Film wert. Sie werden hier in ein Werk gedrängt.

Zudem steht Poitras vor der Herausforderung, eine Geschichte zu erzählen, an der sie selbst unmittelbar beteiligt ist. Ihr ist das sichtlich unangehm. Sie bleibt lieber hinter der Kamera und filmt Greenwald, wie er Snowden interviewt und die Enthüllungen vehement verteidigt. Dabei zählt es zu den eindrucksvollsten Momenten, wenn Poitras E-Mails von Snowden vorliest oder Chat-Nachrichten der beiden auf der Leinwand erscheinen. Sie wird zum Sprachrohr des Whistleblowers und trägt seine Botschaft weiter. Die unfreiwillige zweite Hauptfigur des Films ist somit Poitras selbst.