Facebook-Fasten gegen den Kommunikationszwang
Bonn (dpa) - Julia Brinker will bis Ostern auf Facebook verzichten. Für die Studentin ein echtes Opfer: Schließlich verbringt die 22-Jährige viel Zeit in dem sozialen Netzwerk.
Als Julia Brinker auf ihrem Facebook-Profil ankündigte, während der Fastenzeit auf die Plattform verzichten zu wollen, waren die Reaktionen mehr als skeptisch: „Das schaffst du nie!“ oder „Ob das nüchtern durchzuhalten ist?“ hieß es in den Kommentaren ihrer Freunde. „Die letzten Tage habe ich sehr ausgelassen gefeiert und dann überlegt, wo ich ab Mittwoch (9.3.) kürzer treten kann“, erklärt die Bonner Germanistik-Studentin mit leicht heiserer Karnevalsstimme. „Als ein Freund von mir neulich meinte, ich wäre permanent bei Facebook online, kam mir die Idee.“
Eine Herausforderung ist die Facebook-Askese für die 22-Jährige in jedem Fall: „Das erste, was ich mache, wenn ich meinen Computer einschalte, ist, mich auf der Seite einzuloggen. Das ständige Online-Sein - schrecklich!“ Die Plattform nutzt die Studentin dabei in erster Linie, um mit Freunden zu kommunizieren oder um allgemeine Dinge mitzuteilen, die sie beschäftigen. Die Verbindung zu Freunden müsse jetzt umgeleitet werden: „Das ist logistisch wirklich aufwändig. Freunde, die ich selten sehe, muss ich informieren, damit wir den Kontakt nicht verlieren.“
Helmut Groschwitz vom Institut für Volkskunde an der Universität Bonn erkennt eine Verschiebung der Antriebe zum Fasten: „Früher war der Grund für den Verzicht, seine eigenen körperlichen Bedürfnisse zugunsten des Glaubens zurückzustellen. Auch die Angst vor schlechtem Seelenheil spielte eine Rolle.“ Heutzutage würde zwar auch gefastet, die Motive hätten sich aber verändert. Wer heute Verzicht übe, tue dies oft aus gesundheitlichen Gründen oder um gegen bestimmte Süchte anzugehen.
Als Facebook-süchtig würde sich Julia zwar nicht beschreiben. Doch das soziale Netzwerk ist ohne Zweifel ein Teil ihres Lebens geworden und der Verzicht darauf eine entsprechend große Herausforderung. Die Germanistin ist zuversichtlich, dass sie die 46 Tage bis Ostern auch ohne Facebook überstehen wird. Dabei mag es ihr helfen, dass sie nicht allein ist: Bei einer aktuellen Forsa-Umfrage gaben rund 28 Prozent der Befragten an, in der Fastenzeit am ehesten auf Computer und Internet verzichten zu wollen.
Während sich die einen bis Ostern von der Technik abwenden, benutzt gerade die Kirche Handy und Internet als Medien für das moderne Fasten. „7 Wochen ohne“, die Fastenaktion der evangelischen Kirche bietet unter anderem Fastensprüche per Handy an. „Wir nutzen alle Medien, um Spielmaterial für die Selbstreflexion zu liefern“, erklärt der Koordinator der Aktion, Arnd Brummer. Sogar eine Facebook-Gruppe zur gegenseitigen Bestärkung existiert.
Julia wird am Erfahrungsaustausch auf Facebook nicht teilnehmen können. Sie befürchtet, dass zumindest der Anfang für sie schwer wird: „Wenn alle Freunde sich über irgendetwas unterhalten, was sie auf Facebook gesehen haben, würde es mich schon nerven, nicht mitreden zu können.“ Die Studentin ist aber sicher, dass sie die nächsten Wochen übersteht und freut sich schon auf die Zeit nach dem Fasten: „Es wird toll, wenn ich mich wieder einlogge und mich durch die tausenden Statusmeldungen und vielen Nachrichten arbeiten darf. Und wenn ich bis dahin schwach werde, könnte ich ja meinen Twitter-Account wieder aktivieren“, scherzt sie.