Facebook-Prozess geht unspektakulär zu Ende
Reutlingen (dpa) - Ein Reutlinger Amtsrichter hat den Versuch aufgegeben, den Facebook-Account eines Angeklagten zu beschlagnahmen. Facebook gebe die Daten unter Verweis auf US-Datenschutzbestimmungen nicht an die europäische Justiz heraus.
Dies sagte Richter Sierk Hamann am Donnerstag. „Facebook nimmt billigend in Kauf, durch dieses Verhalten einen Straftäter zu schützen“, kritisierte er. Dem Angeklagten im konkreten Fall hat das aber nicht geholfen. Der 20-Jährige wurde aufgrund anderer Indizien wegen Beihilfe zu einem Wohnungseinbruch zu vier Tagen Jugendarrest und einer Geldstrafe verurteilt. Der Richter vermutet, dass er auch über Facebook seinem Komplizen entscheidende Hinweise für den Einbruch gegeben hatte.
Experten hatten das Verfahren bundesweit mit Spannung verfolgt. Wäre Hamann an die Facebook-Daten des Angeklagten gekommen, wäre das nach Einschätzung von Fachleuten bundesweit einmalig gewesen. Dann hätte der Reutlinger Prozess Vorbildcharakter für zahlreiche Strafverfahren haben könnten. Facebook hat betont, mit Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Man lege die Kontounterlagen aber ausschließlich auf Basis der Nutzungsbedingungen und nach geltendem Recht offen.
Hamann hatte seinen Beschlagnahme-Beschluss für den Account zunächst an Facebook Deutschland geschickt. Von dort bekam er eine Absage, weil nur die Kollegen in Irland Zugriff auf die Daten des Angeklagten hätten. Daraufhin habe er den Beschluss ins Englische übersetzen lassen und ihn an die Facebook-Europazentrale geschickt. Eine inhaltliche Antwort habe er auch jetzt, vier Monate später, nicht bekommen, sagte Hamann.
Also stellte er ein Rechtshilfeersuchen an die irischen Behörden. Doch auch die kamen nicht weiter, weil Facebook die Daten des Angeklagten auf einem Server in den USA gespeichert hat. Dort haben die europäischen Behörden zunächst einmal keinen Zugriff auf sie.
Auch der Angeklagte, der sich nach eigenen Angaben selbst darum bemüht hatte, seine Daten ausgehändigt zu bekommen, habe keine Antwort auf seine Anfrage erhalten, kritisierte der Jugendrichter.
Bei den meisten anderen Providern sei es für die Justiz kein Problem, an Daten von Angeklagten zu kommen. Weshalb das bei Facebook nicht klappe, wundere ihn, sagte der Richter. Zugleich appellierte er an die Politik, dieses Thema weiterzuverfolgen.
Über komplexe Themen wie die Vorratsdatenspeicherung werde intensiv diskutiert, aber zu wenig über solche Alltagsprobleme in der Rechtsprechung. Wenn klar sei, dass die Justiz keinen Zugriff auf Facebook habe, wirke das wie eine Einladung an Kriminelle. „Man wäre ja blöd, wenn man noch eine SMS verschickt“, sagte Hamann.