Facebook startet wohl letzte Nutzer-Abstimmung
Berlin (dpa) - Facebook-Mitglieder durften bisher über Regeländerungen abstimmen. Doch es nahm nur ein Bruchteil der Nutzer teil. Nun wird über eine Abschaffung der Abstimmung abgestimmt. Und Wiener Facebook-Kritiker sammeln Geld, um vor Gericht zu ziehen.
Die Facebook-Nutzer haben die letzte Chance, ihr einzigartiges Mitsprache-Recht bei dem weltgrößten Online-Netzwerk zu bewahren. Die mehr als eine Milliarde Mitglieder können eine Woche lang über vorgeschlagene neue Regeln abstimmen abstimmen, mit denen unter anderem solche Abstimmungen abgeschafft werden sollen. Facebook will auf den Abstimmungsmechanismus verzichten, nachdem bei der vergangenen Meinungsäußerung im Juni nur 0,04 Prozent der Mitglieder teilgenommen hatten.
Die Hürde für den Erfolg einer Facebook-Abstimmung ist sehr hoch: Es müssen 30 Prozent aller Mitglieder teilgenommen haben. Das wären aktuell über 300 Millionen Menschen. Facebook will die Abstimmungen unter anderem durch neue Möglichkeiten ersetzen, direkt Fragen an die Verantwortlichen für Datenschutz zu stellen. In den ersten Stunden seit Beginn der Abstimmung stimmten rund 19 000 Nutzer gegen die neuen Regeln und nur gut 2200 dafür.
Unterdessen sammelt eine Gruppe erbitterter Facebook-Kritiker aus Wien Geld für ein rechtliches Vorgehen gegen die irische Datenschutz-Behörde. Die dortigen Datenschützer hätten bei ihrer Überprüfung von Facebook „oft schlampig und ungenau“ gearbeitet, argumentierte der Sprecher der Gruppe „europe-v-facebook.org“, Max Schrems.
Man wolle die irische Behörde nun erneut auffordern, „Unterlagen und Beweise“ auszuhändigen, sagte Schrems. Er rechne nach bisheriger Erfahrung aber nicht damit, dass dies passieren werde. „Wir haben dann nach irischem Recht nur 21 Tage für eine Berufung und das Kostenrisiko liegt bei 100 000 bis 300 000 Euro“, erklärte Schrems. Deshalb werde jetzt eine Spendenaktion gestartet. Eine Berechnungsgrundlage für die Summe nannte die Gruppe zunächst nicht. In den ersten Stunden am Dienstag (4. Dezember) kamen rund 6000 Euro zusammen.
Dass es bei Facebook jetzt überhaupt zu einer Abstimmung über die neuen Regeln kommt, bedeutet, dass mindestens 7000 Mitglieder einen Kommentar zum Vorschlag des Netzwerks abgegeben haben. Nehmen an einer Abstimmung weniger als 30 Prozent der Mitglieder teil, setzt Facebook nach der bisherigen Regelung die Änderungen einfach in Kraft.
Im Juni hatte „europe-v-facebook“ mit einem Aufruf maßgeblich dazu beigetragen, dass Facebook im Juni die damaligen Vorschläge für neue Regeln zur Abstimmung stellen musste. An der Stimmabgabe beteiligten sich binnen einer Woche aber nur rund 350 000 Nutzer.
Das Online-Netzwerk, das immer wieder von Datenschützern kritisiert wird, nannte die Abstimmungen oft als Beispiel für die Möglichkeiten der Nutzer, die Regeln mitzugestalten. Das Verfahren wurde 2009 eingeführt, als Facebook noch rund 200 Millionen Nutzer hatte.
Facebook will mit der Regeländerung auch einige Datenschutz-Einstellungen erneuern. So behält sich das Online-Netzwerk das Recht vor, Daten mit anderen Firmen im Konzernverbund zu teilen - was angesichts von Übernahmen wie etwa dem Kauf des Fotodienstes Instagram notwendig wurde. Jetzt erklärte Facebook, das sei auch nötig, damit Nutzer in Europa überhaupt mit Freunden in Amerika kommunizieren können, denn das europäische Geschäft liegt bei der Tochter in Irland.
Außerdem wird in den neuen Regeln deutlicher darauf hingewiesen, dass andere Anwender unter Umständen weiterhin Informationen sehen können, die man aus dem eigenen Profil entfernt hat. Diese Klarstellung hatte die zuständige irische Datenschutzbehörde gefordert.
Unter anderem deutsche Datenschützer hatten die Abstimmungen angesichts der hohen Beteiligungshürde scharf kritisiert. Zudem warfen sie Facebook vor, die Mitglieder nicht ausreichend über die Abstimmung informiert zu haben. Diesmal bekamen alle Facebook-Nutzer E-Mails mit Informationen über die geplanten Änderungen und den Beginn der Abstimmung.
Die Wiener Studentengruppe „europe-v-facebook.org“ wirft Facebook schon seit mehr als einem Jahr die Verletzung europäischer Datenschutzregeln vor und überhäufte auch die irischen Datenschützer mit Hinweisen. Die Behörde fand allerdings keine schwerwiegenden Verstöße, sondern empfahl weitgehend nur Nachbesserungen.