Facebook weiter unter Beschuss

New York/Washington (dpa) - Der pannenreiche Facebook-Börsengang ist nun auch ins Visier der Politik geraten. In Washington stellt man sich die Frage, ob alle Anleger gleich behandelt wurden, oder ob einige wenige einen Informationsvorsprung hatten.

„Effektive Kapitalmärkte benötigen Transparenz und Verantwortlichkeit - und nicht ein extra Regelwerk für Insider und ein anderes für den Rest von uns“, erklärte Senator Sherrod Brown. Er gehört dem Bankenausschuss an, der sich den Fall anschaut und möglicherweise eine Anhörung ansetzt. Dann könnte es auch sein, dass Facebook-Gründer Mark Zuckerberg persönlich vor dem Ausschuss erscheinen muss, um Rede und Antwort zu stehen. „Es gibt einiges, was wir über diesen Börsengang nicht wissen“, sagte Brown am Mittwoch (Ortszeit).

Der im Raum stehende Vorwurf lautet, dass die am Börsengang beteiligten Großbanken ausgesuchte Kunden kurz vor dem Aktienverkauf darüber informiert haben, dass sie bei Facebook mit einem schwächeren Wachstum rechnen. Einige Großinvestoren, so berichten es US-Medien, stornierten daraufhin ihre Kaufaufträge, während Kleinanleger und weniger gut vernetzte institutionelle Investoren zuschlugen und nun heftige Verluste hinnehmen müssen.

Die Facebook-Aktie hatte zwar am Mittwoch ihren freien Fall gestoppt, und auch am Donnerstag ging es im frühen New Yorker Handel um 3 Prozent nach oben. Mit annähernd 33 Dollar liegt das Papier aber immer noch weit unter dem Ausgabepreis von 38 Dollar. Der Gesamtwert von Facebook schrumpfte binnen einer knappen Woche von mehr als 104 Milliarden auf unter 90 Milliarden Dollar zusammen.

Die Aufsichtsbehörden wie die SEC schauen sich die Vorgänge an; auch einzelne Finanzmarkt-Regulierer in den US-Bundesstaaten haben sich eingeschaltet. Überdies rollt eine regelrechte Klagewelle über Facebook, dessen Alteigentümer und die beteiligten Banken hinweg. Anleger versuchen auf diesem Wege, ihr Geld zurückzubekommen. Gleich mehrere Anwaltskanzleien strengten Sammelklagen in New York und Kalifornien an, um Wiedergutmachung für alle Geschädigten zu erreichen. Das könnte teuer werden.

Erschwerend waren beim Börsengang technische Pannen hinzugekommen. Nach Informationen von US-Medien erwägt Facebook nun sogar, die Börse zu wechseln. Facebook könnte demnach von der rein computergestützt arbeitenden Nasdaq zur traditionsreichen New York Stock Exchange überlaufen, die auch noch einen Parketthandel besitzt. Hier nehmen Menschen die Order entgegen.

Wie unter anderem das „Wall Street Journal“ schreibt, haben Verantwortliche von Facebook und NYSE mehrere E-Mails ausgetauscht. Die Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete überdies von Anrufen. Die Medien beriefen sich am Mittwoch auf eingeweihte Personen. Allerdings widersprach ein NYSE-Sprecher vehement: Es habe keine Gespräche zu dem Thema gegeben. „Wir denken auch nicht, dass es angebracht wäre, darüber Gespräche zu dieser Zeit zu führen.“

Der Handel mit Facebook-Aktien hatte am Freitag mit einer halben Stunde Verspätung begonnen, weil die Computersysteme der Nasdaq mit der Flut an Auftragsänderungen und -stornierungen überfordert waren. Manche Investoren konnten auch Stunden später nicht erkennen, ob ihre Order nun erfolgreich war oder nicht. Die Nasdaq hat sich deswegen bereits eine Klage eingehandelt.

Es ist durchaus üblich, dass Unternehmen ihren Börsenplatz wechseln. NYSE und Nasdaq verlangen etwa unterschiedliche Gebühren und bieten unterschiedliche Leistungen an. Allerdings wäre ein Wechsel nach so kurzer Zeit ein Novum. Die beiden Börsenbetreiber sind Erzrivalen. Die jüngere Nasdaq hat ihr Hauptquartier an der New Yorker Touristenmeile Times Square, der Handelssaal der NYSE liegt an der Finanzmeile Wall Street.