Feature: Silicon Valley kämpft um Auslandstalente

Washington (dpa) - Sie sind jung, hochqualifiziert und die amerikanische Wirtschaft braucht sie dringend:

Indische, chinesische oder osteuropäische Hightech-Experten, die ihren Abschluss an US-Universitäten gemacht haben.

Doch rigide Einwanderungsgesetze zwingen immer wieder Absolventen und Unternehmensgründer aus dem Land. Amerikas IT-Industrie bündelt daher ihre Kräfte nun zu einem virtuellen „Protestmarsch für Innovation“. Die lautstarke Kampagne ruft Demokraten und Republikaner zu einer Gesetzesreform auf.

Zwei, die das Visums-System aus den USA gedrängt hat, sind die indischen Entwickler Indira und Rahul Chaturvedi (Namen geändert). Rahul studierte Informatik an einer großen US-Universität, Indira Biomedizintechnik. Als die Studenten sich 2007 kennenlernten, wurden sie nicht nur ein Paar, sondern auch Geschäftspartner.

Gemeinsam entwickelten sie für das Online-Netzwerk Facebook das Spiel „Pillow Fight“, in dem die Nutzer eine virtuelle Kissenschlacht führen können. Von Indira stammte die Idee, ihr Mann programmierte den Code.

Die Chaturvedis gründeten in den USA ein kleines Unternehmen und waren so erfolgreich, dass sie mehrere Angestellte beschäftigten. In zwei Jahren zahlten sie rund 250 000 Dollar Steuern, heißt es in einem Bericht des Forschungszentrums für Globalisierungsstudien der Universität Yale.

Doch nach dem Ende ihres Studiums bekamen die Entwickler keine Arbeitsgenehmigung. 2010 mussten sie nach Indien zurückkehren, wo sie heute noch auf ein dauerhaftes US-Visum warten. „Wir versuchen, uns darum zu kümmern“, schrieb Rahul Chaturvedi der dpa per E-Mail.

Auch in Deutschland wird darüber diskutiert, wie hochqualifizierte Zuwanderer angelockt werden können. Die Computerbranche sucht händeringend nach Fachkräften. Deutsche Politiker schauen neidisch auf die USA, wo das Silicon Valley die Internet-Unternehmen nährt.

Eine ähnliche Gründungskultur mit Mut zum Risiko brauche es in Deutschland auch, sagte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) auf der Computermesse CeBIT.

Dabei suchen auch die USA Einwanderer, um offene Stellen zu füllen. Im Jahr 2018 würden mindestens 200 000 Stellen im Hightech-Sektor unbesetzt bleiben, prognostiziert die Handelskammer. Denn selbst im berühmten Silicon Valley stoßen ausländische Jungunternehmer an bürokratische Hürden.

Das Problem liegt im amerikanischen Einwanderungssystem. Ausländische Existenzgründer fallen durch das Behördenschema, es gibt kein passendes Visum für sie. Befristete Arbeitsvisa bekommen Ausländer in der Regel nur, wenn sie bei einem US-Unternehmen angestellt sind.

„Wenn sie keinen Arbeitgeber finden, der ihnen ein Visum finanziert, haben sie große Probleme, nach dem Studium in den USA zu bleiben“, sagte Edward Roberts, Professor am renommierten Massachusetts Institute of Technology, den „MIT News“.

Eine dauerhafte Arbeitserlaubnis erfordert oft jahrelanges Warten. Die USA vergäben pro Land maximal sieben Prozent des jährlichen Visumsbestands, heißt es im Yale-Bericht. Mehr als 50 Prozent der Hochqualifizierten kämen aber aus Indien und China.

Dabei benötigen die USA dringend Absolventen der sogenannten MINT-Fächer: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Schon jetzt kommen an US-Universitäten durchschnittlich 40 Prozent der Master- und Doktoratsstudenten in diesen Fachgebieten aus dem Ausland.

Präsident Barack Obama sagte im Februar in seiner Rede zur Lage der Nation, er wolle die „hochqualifizierten Unternehmer und Ingenieure anziehen, die Arbeitsplätze schaffen und Wachstum generieren“. Republikaner wie Demokraten sind sich einig, dass sie Fachkräfte im Land halten müssen. Allerdings verzögert der Streit über das Schicksal der geschätzt elf Millionen illegalen Einwanderer eine Entscheidung im Kongress.

Das jahrelange politische Tauziehen hat Amerikas Hightech-Industrie dazu getrieben, ein Protestbündnis zu gründen. 100 Größen der Technologiebranche wandten sich in einem offenen Brief an den Kongress, darunter Yahoo-Chefin Marissa Mayer, Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sowie die Chefs von Intel und Cisco.

Sie fordern eine Reform des „veralteten und ineffizienten“ Einwanderungssystems, die Obergrenzen für Einwanderer müssten flexibler werden.

US-Medienberichten zufolge haben Zuckerberg und andere Führungskräfte aus dem Silicon Valley außerdem eine Lobbygruppe gegründet, um für Einwanderungs- und Bildungsreformen zu werben. Die als liberal geltende Tech-Szene habe sich dafür neben demokratischen auch mehrere konservative Berater geholt.

Die Netz-Kampagne soll ihren Höhepunkt im April finden, wenn in Washington über die Einwanderungsreform abgestimmt wird. Über soziale Medien sollen dann möglichst viele Menschen Druck auf den zerstrittenen Kongress ausüben. Die IT-Industrie hofft auf einen ähnlichen Erfolg wie im vergangenen Jahr, als massenhafte Proteste von Internetunternehmen ein umstrittenes Gesetz zu Fall brachten.