Forscherin für pragmatischen Umgang mit Internet

Karlsruhe (dpa) - Die Deutschen haben ein gespaltenes Verhältnis zum Internet, sagt die Kulturwissenschaftlerin Caroline Robertson-von Trotha. „Fast alle benutzen es, gleichzeitig wird ständig davor gewarnt.“ Sie wirbt für einen pragmatischen Umgang mit dem Internet.

„Das erinnert an den Siegeszug des Fernsehens, der ja auch mit viel Kulturpessimismus begleitet wurde“, sagte die Direktorin des Zentrums für Angewandte Kulturwissenschaft (ZAK). Statt das Internet grundsätzlich zu verdammen, müsse nach pragmatischen Lösungen gesucht werden, um die negativen Begleiterscheinungen des weltweiten Netzes in den Griff zu bekommen. Von Freitag (11. Februar) bis Sonntag wird bei den Karlsruher Gesprächen des ZAK debattiert - unter anderem mit dem ehemaligen Sprecher von WikiLeaks, Professoren aus London, Amsterdam und Hong Kong und einem Internetaktivisten aus Tunis.

„Fest steht, dass das Internet die Kommunikation radikal verändert hat“, sagte Robertson-von Trotha. „Das hat keiner gewollt und keiner vorhergesehen, aber darauf müssen wir uns einstellen.“ Der Zugang zum Wissen habe sich enorm beschleunigt, alle Wege stünden offen. „Das ist sehr verführerisch, birgt aber auch die Gefahr, sich zu verzetteln“, sagte die Karlsruher Wissenschaftlerin. „Wir haben inzwischen eine Zapp-Gesellschaft, die von Angebot zu Angebot springt, viel oberflächliches Wissen ansammelt, aber selten in die Tiefe dringt.“

Darauf müssten Familien, Schulen, Universitäten und Unternehmen reagieren. „Wir müssen Methoden für die Nutzung entwickeln, Konzentration einüben und unsere Urteilskraft gegenüber den Inhalten im Internet schärfen“, sagte Robertson-von Trotha. „Und wir brauchen Reflexionszeit, in der wir darüber nachdenken, was wir alles gelesen und gelernt haben - und wo wir damit hinwollen.“

Auch das Internet selbst hat nach Ansicht der Wissenschaftlerin seine Potenziale bei weitem noch nicht ausgeschöpft. „Global ist oft nur Schein. Trotz der globalen Vernetzung bleiben die meisten Nutzer doch lokal verhaftet.“ Die Internationalisierung stehe erst am Anfang. „Man muss sich doch fragen, warum heute nicht bei Fremdsprachen-Unterricht übers Internet Kontakte in das jeweilige Land geknüpft werden.“