Forschung dank Google - aber nicht für Google
Berlin (dpa) - Für Wissenschaftler ist es eine leidvolle Erfahrung: Ohne großzügige Zuschüsse von Unternehmen oder Stiftungen könnten sich Hochschulen viele Forschungsprojekte nicht leisten. Doch mit dem Geld hoffen die finanzkräftigen Sponsoren oft auch auf Einfluss.
Kann da ein Institut zur Erforschung des Internets unabhängig sein, das der Suchmaschinenriese Google finanziert? Drei namhafte deutsche Forschungseinrichtungen sagen Ja - am Montag gaben sie die Gründung des Think Tanks in Berlin bekannt. Nun müssen sie nicht nur ihre Exzellenz, sondern auch ihre Unabhängigkeit beweisen.
Google hat sich renommierte Partner gesucht: die Humboldt- Universität (HU), an der das „Institut für Internet und Gesellschaft“ auch angesiedelt ist; außerdem die Universität der Künste (UdK) und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), die wie die Traditionsuniversität in der Hauptstadt angesiedelt sind. Das Hans-Bredow-Institut für Medienforschung (HBI) in Hamburg ist zudem als Kooperationspartner an Bord.
Das Internet verändere die Gesellschaft dynamisch, sagte HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz. „Wir haben ein Interesse, möglichst viel in Erfahrung zu bringen über die Konsequenzen dieser weltweiten Vernetzung von Informationen.“ Zu diesem Themen habe man zwar schon geforscht, betonte UdK-Präsident Martin Rennert - es habe jedoch an Mitteln gefehlt, um ein gemeinsames Institut zu gründen und sich zu vernetzen. Da kommt das Geld von Google gerade recht.
Die Finanzierung stemmt zunächst allein der US-Konzern, er stellt 4,5 Millionen Euro über einen Zeitraum von drei Jahren. Weitere Geldgeber könnten sich an dem Projekt beteiligen, betonte Google- Lobbyist Max Senges. Man habe schon viele Bewerbungen erhalten. Zudem wollen die Forscher sich über eine „Kofinanzierung der etablierten Art“ weitere Mittel besorgen, wie WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger sagte, etwa über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) oder das Bildungsministerium.
Damit die Geldgeber nicht die Agenda bestimmen, sind für Forschung und Förderung zwei voneinander unabhängige Gesellschaften zuständig. Über die Inhalte und Ziele der Forschung befindet die autonome Forschungsgesellschaft, über deren Arbeit ein Beirat und ein Kuratorium mit unabhängigen Vertretern wachen.
Mit der Auswahl der Kooperationspartner gibt Google inhaltlich die grobe Richtung vor. Auf der Agenda der anfangs rund zehn Mitarbeiter stehen Internet-basierte Innovationen, Regulierung und rechtliche Fragen. Die Wissenschaftler betonten jedoch, dass sie ihre Themen selbst bestimmen. „Es war Voraussetzung auf beiden Seiten für die Zusammenarbeit, dass wir unabhängig arbeiten können“, sagte Jeanette Hofmann vom WZB, die im Kreis der drei Direktoren dabei ist.
Die Sozialwissenschaftlerin will etwa zum Datenschutz beim Cloud Computing forschen - ein Thema, das Google besonders betrifft: Der Konzern stellt beispielsweise sein Büro-Paket „Google Docs“ ausschließlich über das Internet bereit. Gerade zum Datenschutz gibt es hier offene Fragen, die für den US-Konzern unbequem werden könnten.
Wichtig: Die Ergebnisse der Forschung verschwinden nicht im Tresor von Google. „Alle Forschungsergebnisse werden unabhängig publiziert, kein Forschungsergebnis wird vorher Google zur Freigabe vorgelegt“, sagte Allmendinger. Darauf hätte man sich „nie eingelassen“.
Ein eigenes Forschungsinstitut bekommt der Konzern also nicht. Doch auch so könnte sich das Engagement lohnen. Denn der Einsatz dürfte helfen, das teils matte Image aufzupolieren. Trotz seiner Beliebtheit bei den Nutzern eckt Google in Deutschland immer wieder an - besonders wenn es um den Datenschutz geht. Der heftige Clinch um die digitale Straßenansicht Street View ist gerade einmal ein Jahr her.
Außerdem profitiert Google davon, wenn die Deutschen offener mit neuen Technologien umgehen - nicht zuletzt die Politiker, die sich immer wieder an dem manchmal geheimnisvollen Konzern reiben. Im Leitbild des Instituts wird die „Weiterentwicklung eines freien und offenen Internets und seines Potenzials“ als ein Ziel genannt. Die algorithmengläubigen Googler setzen auf eine einfache Gleichung: Was für das Internet gut ist, dient auch dem Unternehmen.