Fragen und Antworten: Wie weit geht Anonymität im Netz?
Karlsruhe (dpa) - Anonyme Äußerungen im Internet können schnell die Persönlichkeitsrechte anderer Menschen verletzen. Aber Anonymität dient auch dem Schutz von Freiheitsrechten und ist deshalb den Anbietern von Web-Diensten gesetzlich vorgeschrieben.
Ein Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof wirft kontroverse Fragen auf.
Warum gibt es einen gesetzlichen Schutz der Anonymität im Internet?
Das Telemediengesetz (TMG) von 2007 bestimmt, dass die Anbieter von Internet-Diensten die Nutzung „anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen“ haben, „soweit dies technisch möglich und zumutbar ist“. Der Gesetzgeber wollte damit die im Grundgesetz (Artikel 5) garantierte Meinungs- und Redefreiheit stärken. Anonymität ermöglicht es insbesondere Angehörigen von Minderheiten, Kranken oder Verbrechensopfern, sich frei äußern zu können, ohne persönliche Nachteile befürchten zu müssen.
Was ist der Unterschied zwischen anonym und pseudonym?
Bei einer anonymen Nutzung wird mit technischen Mitteln ausgeschlossen, dass die Identität des Nutzers bekanntwird. Internet-Dienste bieten meist eine Nutzung mit einem Pseudonym an: Dabei wählt der Nutzer einen Phantasienamen (Nickname). Aufgrund der verlangten Anmeldedaten kann der Betreiber den Nickname bei Bedarf der tatsächlichen Identität des Nutzers zuordnen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird auch eine pseudonyme Nutzung meist als anonym bezeichnet.
Wann kann der Schutz der Anonymität aufgehoben werden?
Das TMG sieht bei Strafermittlungen oder zur polizeilichen Gefahrenabwehr Ausnahmen vor - dann kann der Anbieter eines Internet-Dienstes auf Anordnung der zuständigen Stellen Auskunft über seine Nutzer erteilen. Genannt ist auch die „Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum“ - also bei Verstößen gegen das Urheberrecht.
Welche Möglichkeiten haben Privatpersonen, um gegen eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte vorzugehen?
Das Recht auf Meinungsfreiheit schützt keine falschen Tatsachenbehauptungen und endet bei Beleidigungen und Schmähkritik. Davon Betroffene können eine zivilrechtliche Unterlassungsklage einreichen, mit der ein Gericht einen Internet-Anbieter verpflichten kann, beispielsweise eine ehrverletzende Äußerung zu löschen. Außerdem ist es möglich, Strafanzeige gegen Unbekannt zu stellen. Sobald ein Staatsanwalt Ermittlungen aufnimmt und ein richterlicher Beschluss vorliegt, geben Internet-Anbieter entsprechend der gesetzlichen Vorgaben in der Regel die ihnen verfügbaren Daten des genannten Nutzers preis.
Können Privatpersonen auch ohne Strafanzeige Auskunft über einen Verfasser von Äußerungen im Internet verlangen?
Einen solchen Anspruch leiten einige Juristen aus dem Zivilrecht ab: Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält mehrere Bestimmungen, um zum Beispiel Schadenersatz zu verlangen oder um sich gegen Rufschädigungen und Ehrverletzungen zu wehren. Dieser Anspruch war am Dienstag Gegenstand der Verhandlung im BGH: Ein Arzt aus Schwäbisch-Gmünd verlangt Namen und Adressen eines Nutzers, der im Internet-Bewertungsportal Sanego laut Urteil der Vorinstanz falsche Tatsachen verbreitet hat.
Warum ist Anonymität für Bewertungsportale wichtig?
Der Nutzen solcher Internet-Dienste zur Bewertung von Ärzten, Rechtsanwälten, Handwerkern oder anderen Berufsgruppen steigt mit der Zahl der gespeicherten Bewertungen. Viele Nutzer geben aber nur dann kritische Bewertungen ab, wenn sie sicher sein können, dass sie unerkannt bleiben. Anbieter von Bewertungsportalen räumen ein, dass es zu Missbrauch kommen kann, wenn etwa Wettbewerber sich mit ungünstigen Bewertungen überziehen. Sie setzen aber darauf, dass dies umso weniger ins Gewicht fällt, je mehr Bewertungen abgegeben werden.
Gelten die gesetzlichen Grundlagen zur Anonymität auch für Diskussionsforen im Internet?
Ja. Die Betreiber solcher Foren unterstehen als Provider oder Dienste-Anbieter ebenso wie Bewertungsportale dem Telemediengesetz und anderen rechtlichen Bestimmungen.