Freie Software sucht nach Wegen in die Kommunalverwaltung
Karlsruhe/München (dpa) - Linux und freie Software haben es in den deutschen Kommunen nicht leicht. Der Wille zum Wechsel auf offene Systeme ist da, aber die normative Kraft des Faktischen ist bislang meist stärker - so lässt sich die Haltung vieler Kommunen auf den Punkt bringen.
„Die Bestrebungen, offene Software einzusetzen, lassen sich nicht so einfach umsetzen“, sagt Norbert Brugger, Dezernent beim Städtetag Baden-Württemberg. Als Hauptproblem nennt er Formulare und sogenannte Fachverfahren für bestimmte Verwaltungsaufgaben, die Microsoft Word oder Excel voraussetzen.
Dabei hat es die Stadtverwaltung in München vorgemacht, wie es gehen kann. Dort wurde das Projekt „LiMux“ Ende 2013 nach zehn Jahren abgeschlossen. Mehr als 14 000 Arbeitsplätze laufen dort unter dem freien Betriebssystem Linux. Statt Microsoft Office gibt es Libre Office, die E-Mails und Kontakte werden nicht mit Microsoft Outlook bearbeitet, sondern mit Mozilla Thunderbird.
Für die Nutzer ist das eine erhebliche Umstellung gewesen - die grüne Kandidatin bei der Münchener Oberbürgermeisterwahl im März, Sabine Nallinger, sprach gar von „verzweifelten Mitarbeitern“. Dabei gab es Schulungen für die Anwender, und die LiMux-Projektgruppe bemühte sich darum, den Wechsel möglichst sanft zu gestalten. „Wir haben die Oberfläche so gestaltet, dass wir einen hohen Wiedererkennungswert für Windows-Nutzer erreicht haben“, erklärt die IT-Architektin für die städtischen Arbeitsplätze, Jutta Kreyss.
Unterstützung für kleinere Kommunen verspricht die Open Source Business Alliance (OSBA) in Stuttgart, die dazu kürzlich einen Leitfaden vorgelegt hat. „Bei ansonsten gleichen Voraussetzungen sollte Open Source Software aufgrund der ihr eigenen Vorteile bevorzugt werden“, heißt es darin. Diese Vorzüge sind gar nicht so sehr die freie Verfügbarkeit im Unterschied zu den Lizenzkosten von sonstiger Software - zumal die Wartung in beiden Software-Welten Kosten verursachen kann. Weil aber Open Source die Offenlegung des Quellcodes bedeutet, können Anwendungen von allen Nutzern ständig weiterentwickelt werden. Auch Fehler lassen sich so meist schneller beheben.
Der OSBA-Vorstandsvorsitzende Peter Ganten räumt ein, dass es für die meisten Kommunen zurzeit zu aufwendig sei, sich von Windows wegzubewegen. „Die Verwaltungen sollten aber dennoch Anwendungen auswählen, die möglichst offen sind und offene Datenformate unterstützen“, rät Ganten. Die Verantwortlichen in den Städten seien zudem gut beraten, bei Anwendungen darauf zu achten, sich nicht in einseitige Abhängigkeiten zu begeben - auch aus Kostengründen, weil Abhängigkeit bei Software schnell zu einem Preisdiktat führe.
In Schwäbisch-Hall - die Stadt ist Mitglied in der OSBA - wurden die rund 400 Arbeitsplätze seit 2002 auf Linux umgestellt. „Irgendwann haben sich unsere Mitarbeiter daran gewöhnt“, sagt der Leiter der städtischen IT-Abteilung, Horst Bräuner. „Es gibt aber immer noch den einen oder anderen, der Windows nachtrauert.“ Im Support, also in der Unterstützung bei Alltagsproblemen, gebe es nicht mehr und nicht weniger Probleme als früher - „da geht es meistens um den Drucker“. Die Einsparung von Kosten habe sich vor allem beim Verzicht auf Microsoft Office bemerkbar gemacht: „Das war der Hauptkostentreiber. Jetzt setzen wir Libre Office ein, das kostet uns natürlich nichts.“
Für kommunale Fachanwendungen, die oft über einen Anwendungsserver von Citrix bereitgestellt werden, setzt Schwäbisch-Hall spezielle Zugangsprogramme für Linux ein. Und wenn es für eine einzelne Windows-Anwendung keine freie Alternative gibt, läuft ein Windows gewissermaßen in Untermiete auf dem Linux-Rechner, abgeschottet in einer „virtuellen Maschine“.
Bräuner schätzt die flexiblen Möglichkeiten von freier Software. Nach dem Start mit einem SuSE Linux und einem KDE-Desktop stellt Schwäbisch-Hall jetzt auf ein Ubuntu-Linux mit dem Desktop Xfce um. Das neue System wurde zunächst testweise an drei Arbeitsplätzen von Mitarbeitern eingerichtet, die nicht besonders technikaffin sind.
Allerdings ist es aus Sicht von Linux-Förderer Ganten gar nicht so entscheidend, ob das freie Betriebssystem in großem Umfang Windows und Microsoft Office in den Kommunen ablösen kann. Es zeichne sich ab, dass dieses Thema in ein paar Jahren gar nicht mehr relevant sei, erwartet der Experte für freie Software. Denn immer mehr Anwendungen kommen aus der Cloud, direkt aus dem Internet, auch für Smartphones und Tablet-Computer, und sind nicht mehr auf eine bestimmte Plattform angewiesen. „Dadurch reduziert sich die Abhängigkeit von PCs und damit auch von Windows als Betriebssystem.“