Kunstaktion als Protest Gesprühte Hass-Tweets in Hamburg sorgen für Diskussionen
Hamburg/Berlin (dpa) - Eine Sprühaktion des Berliner Künstlers Shahak Shapira vor der deutschen Twitter-Zentrale in Hamburg hat die Diskussion um den Umgang mit Hass-Kommentaren im Netz neu angefacht.
Während Shapira für seine Idee in sozialen Medien viel Aufmerksamkeit und Zuspruch bekam, warfen ihm Kritiker „unerlaubtes Graffiti“ und Vandalismus vor. Am Montag hatte sich Shapira in einem Tweet als Urheber der Aktion vorgestellt, bei der zahlreiche Hasskommentare aus dem Kurznachrichtendienst samt Nutzernamen auf den Boden vor dem Twitter-Büro gesprüht wurden. Er habe damit gegen die zurückhaltende Löschpraxis des Unternehmens protestiert, da nach seiner Meldung mehrerer hundert Kommentare nichts geschehen sei, erklärte Shapira.
Die mit einer offenbar wasserlöslichen Substanz gesprühten Kommentare auf deutsch und englisch waren schnell wieder entfernt worden. Twitter reagierte zurückhaltend: Aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen äußere man sich nicht zu einzelnen Nutzeraccounts. In Bezug auf die in der Graffiti-Aktion zitierten Sprüche erinnerte Twitter an die Bestimmungen und Möglichkeiten, solche Inhalte zu melden. „Nutzer können diese Accounts auch stummschalten und blockieren“, hieß es zudem.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verwies bei dem Kurznachrichtendienst auf die Aktion des Künstlers mit der Bemerkung, Twitter lösche nur ein Prozent der von seinen Nutzern gemeldeten Hasskriminalität. „Das reicht nicht!“ Maas stand hinter einem vor kurzem angenommenen Gesetz, dass Internet-Plattformen verpflichtet, Hassrede schneller zu löschen. In klaren Fällen soll das binnen 24 Stunden passieren, bei weniger eindeutigen Sachverhalten innerhalb einer Woche. Kritiker - auch aus der Internet-Branche - bemängeln unter anderem, dass damit die Unternehmen eine Deutungshoheit bekämen. Außerdem gebe es die Gefahr, dass mehr gelöscht werde als nötig, um vor nach dem Gesetz drohenden Geldstrafen sicher zu sein. Maas konterte, es solle nur entfernt werden, was illegal sei - und die Firmen hätten ein wirtschaftliches Interesse, mehr Inhalte auf der Plattform zu haben.
Maas nahm mit Kommentar zu der Aktion Bezug auf Angaben der Organisation Jugendschutz.net. Sie stellte bei einem Versuch Anfang dieses Jahres fest, dass von 540 strafbaren Beiträgen, die Twitter von einem Standard-Account gemeldet worden seien, nur ein Prozent binnen einer Woche verschwand. Nach einer Meldung als Jugendschutz.net seien dagegen weitere 63 Prozent gelöscht worden.
Die Politik fordert von den Online-Plattformen schon länger ein schärferes Vorgehen gegen Extremismus - und zeigte sich immer wieder unzufrieden mit den Fortschritten, obwohl die Online-Firmen inzwischen härter durchgreifen.
Unterdessen erntete die mit neuen Hasskommentaren konfrontierte ZDF-Moderatorin Dunja Hayali überwiegend Zustimmung für ihre Art, damit umzugehen. Die 43-Jährige hatte einem aggressiven Internet-Pöbler mit dessen eigener Sprache geantwortet. Ein Nutzer, der sich Emre nennt, hatte Hayali auf deren Facebook-Seite wüst beschimpft und in brüchiger Rechtschreibung die Frage aufgeworfen, wieso sie „so ein hass auf türken“ habe. Eine ihrer letzten Sendungen sei eine „anti türkei schow“ gewesen. Hayalis Antwort, in der sie Emre unter anderem als „loser“ bezeichnete, wurde bis Dienstagvormittag mehr als 4000 Mal kommentiert und über 1600 geteilt. In einigen Reaktionen wurde auch kritisiert, dass Hayali sich damit auf ein Niveau mit Pöbeleien begeben habe.