Google entwickelt smarte Kontaktlinse für Diabetiker
Mountain View (dpa) - Google arbeitet an einer elektronischen Kontaktlinse für Diabetiker, die Blutzucker-Werte messen und den Träger bei Schwankungen warnen kann. Der Internet-Konzern stellte das Projekt, das sich noch in einem frühen Stadium befindet, in der Nacht zum Freitag vor.
Die Entwickler aus dem Forschungslabor Google X testen laut einem Blogeintrag Prototypen einer Kontaktlinse, bei der zwischen zwei Schichten ein Sensor sowie ein Miniatur-Funkchip integriert sind. Die Linse messe die Glukose-Werte in der Tränen-Flüssigkeit jede Sekunde. Der Prototyp sei in mehreren klinischen Forschungsstudien erprobt worden. Die Kontaktlinse solle die Daten an eine begleitende Smartphone-App funken. Chip und Sensor seien so winzig wie Glitzer-Partikel und die Antenne dünner als das menschliche Haar. Es werde auch erwogen, für Warnsignale Mikro-LEDs direkt in die Linse zu integrieren, hieß es.
Es sei noch viel Arbeit zu tun, bis die Kontaktlinse als fertiges Produkt auf den Markt komme, schränkten die Entwickler ein. Google wolle sich dafür in dem Bereich erfahrene Partner suchen, die Zugang zu der Technologie bekämen.
An dem Projekt arbeitet federführend der Forscher Babak Parviz mit, der schon an der Entwicklung der Datenbrille Google Glass beteiligt war. Er hatte bereits 2009 demonstriert, wie man Kontaktlinsen mit LEDs versehen kann.
In Deutschland arbeiten Forscher an einem ähnlichen Projekt. Das Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme (IMS) in Duisburg entwickelte zusammen mit der niederländischen Firma Noviosense einen winzigen Biosensor, der Glukose-Werte in Schweiß oder Tränenflüssigkeit messen soll. Das Gerät solle in zwei bis drei Jahren auf den Markt kommen, möglichst vor dem von Google, sagte Noviosense-Generaldirektor Christopher Wilson. Es gebe bereits erste kleine Versuche mit Menschen. „Wir sind froh über die Konkurrenz, denn dies zeigt, dass die Idee gut ist.“
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Lutz Heinemann, begrüßte Googles Pläne. „Es ist eine sehr interessante Idee. Google mit seinem technologischen Know-how ist sehr willkommen als ein Unternehmen, das die Entwicklung in diesem Bereich vorantreiben kann“, sagte Heinemann der dpa. Geklärt werden müsse unter anderem noch, inwieweit akute Unterzuckerungen über die Tränenflüssigkeit schnell erkannt werden könnten. Die Arbeitsgemeinschaft sei bereit, Google zu unterstützen.
„Der Schritt in den Alltag ist noch weit, aber die Marschrichtung ist gut“, sagte Prof. Dr. Christian Ohrloff, ehemaliger Direktor der Universitätsaugenklinik Frankfurt und Sprecher der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) der dpa. Wenn alles funktioniere, könne es eine für Patienten komfortable und genaue Messmethode werden. Ihre erhöhte Anfälligkeit für Infektionen hindere Diabetiker nicht grundsätzlich daran, Kontaktlinsen zu tragen. „Da gibt es individuelle Unterschiede wie bei allen anderen auch“, sagte Ohrloff.
Zugleich ist das Messen der Glukose-Werte im Auge keine triviale Aufgabe. „Die Konzentration von Blutzucker ist in der Tränenflüssigkeit etwa 50 Mal geringer als im Blut“, erläuterte IMS-Geschäftsfeldleiter Tom Zimmermann. Zudem träten Änderungen dort mit sieben Minuten Zeitverzögerung auf.
Bei Google X forschen Wissenschaftler nach Technologien für die Zukunft. Neben Google Glass stammt aus den Labors zum Beispiel ein Projekt für den Internet-Zugang in abgelegenen Regionen mit Hilfe großer Ballons. Der Konzern engagierte für den Bereich unter anderem die frühere Chefin der US-Militärforschungsagentur DARPA, Regina Dugan. Google forscht auch seit Jahren an selbstfahrenden Autos und startete im vergangenen Jahr ein groß angelegtes Roboter-Projekt.