Hannover in der „Wolke“: Cloud Computing
Hannover (dpa) - Cloud Computing - Rechen-Power aus der Internet-„Wolke“ - hat längst einen festen Platz im täglichen Leben des technisch aufgeschlossenen Menschen. Der Trend beherrscht die diesjährige IT-Messe CeBIT auf allen Kanälen.
Zahlreiche Nutzer greifen auf ihre E-Mails über das Web zu, kommunizieren mit Freunden im sozialen Netzwerk und legen ihre Urlaubsfotos im Netz für andere bereit. All das, so August-Wilhelm Scheer, Präsident des Branchenverbands Bitkom, ist bereits Cloud Computing. Verbraucher geben derzeit bereits 1,6 Milliarden Euro für Cloud Computing aus. Das Geschäft mit privaten Verbrauchern und Geschäftskunden boomt. Zusammen werde es der der Branche einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro in diesem Jahr in die Kassen spülen - ein Plus von 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Cloud Computing ist „das“ Buzzword der IT-Branche, kaum ein anderes Schlagwort dominiert die CeBIT in Hannover so sehr wie die „Wolke“ Internet. Auf der Messe, die am Dienstag offiziell beginnt, stehen Anwendungen und Dienstleistungen im Mittelpunkt, die ohne Software-Installation auf den einzelnen Rechnern über das Web angeboten werden. Das soll in Unternehmen erhebliche Kosteneinsparungen ermöglichen. Je nach Geschäftsauslastung können sie flexibel auf Services und Infrastruktur zugreifen, ohne ständig selbst große Serverkapazitäten vorhalten zu müssen.
IT-Technikern wie Systemadministratoren könnte der neue Trend allerdings auch den Job kosten. Die IT-Abteilungen dürften erheblich schrumpfen, schätzt Bastian Stein, Technologie-Chef des WebLabs der Zeitschrift „Chip“. Vor allem Systemadministratoren müssten durch das Cloud Computing massiv umdenken und umlernen.
Auch Microsoft hat inzwischen den Trend erkannt und will künftig zum Tempomacher in Sachen Cloud Computing werden. Der Softwarekonzern ist zwar mit Programmen groß geworden, die der Nutzer kaufen und auf seinem Computer installieren muss. Auch heute noch gehört der Verkauf von Anwendungen wie Windows oder Microsoft Office zu den cash cows des Unternehmens. Längst bietet der Softwarehersteller aber auch zahlreiche Webservices an.
„Das Cloud Computing ist ein "game changer" und bedeutender Impulsgeber für die Wirtschaft“, sagte Ralph Haupter, Geschäftsführer von Microsoft Deutschland in Hannover. Die Cloud habe aber auch vor allem große gesellschaftspolitische Bedeutung. „Cloud Services sind ein Schlüssel zur Lösung vieler gesellschaftspolitischer Herausforderungen, von der Demografie über das Gesundheitswesen bis hin zur offenen, effizienten Verwaltung.“
Auf der CeBIT in Hannover stellte Microsoft seine neue Initiative „Chancenrepublik Deutschland“ vor. Insgesamt 30 Projekte will das Unternehmen künftig unterstützen, die innovative Cloud-Lösungen entwickeln. „Wir haben die Chance, Deutschland zur führenden Cloud Nation in Europa zu machen“, ist sich Haupter sicher. Derzeit ist es um die Innovationsfreudigkeit in Deutschland laut einer Studie von TNS Infratest allerdings äußerst mäßig bestellt. Und die großen Marktführer stammen allerdings vorerst aus dem Ausland: IBM, Amazon, Google, Microsoft und Salesforce.com.
Ein weiterer Hemmschuh für den rasanten Vormarsch in die Wolke bleiben auch weiterhin massive Sicherheitsbedenken. Wo werden meine Daten gespeichert und wie sind sie vor unbefugtem Zugriff gesichert? Was ist mit Industriespionage? Und wer haftet bei Verlust von Daten? Die Nutzer in Deutschland gelten als besonders kritisch in Sachen Datensicherheit.
Viele Bedenken resultieren nach Einschätzung von Christian Kirsch, Redakteur der Zeitschrift „iX“ aber auch eher aus Unkenntnis. „Die Akzeptanz der Cloud leidet vor allem an der mangelnden Aufklärung über die Sicherheit der Daten“, sagt Kirsch. Aus technischer Sicht sei eine sichere Cloud etwa durch Verschlüsselungstechniken auch heute schon realisierbar.
Dennoch würden rund 50 Prozent der Unternehmen weiterhin private Cloud-Angebote bevorzugen, die sie im eigenen Haus vorhalten, sagte Robert Horndasch von dem Beratungsunternehmen Deloitte. Der Hauptgrund sei die bessere Beherrschbarkeit und die volle Kontrolle. Dabei sollte Deutschland mit seinem Sicherheitsbewusstsein viel eher aus der Not eine Tugend machen und sich entsprechend mit sicheren Angeboten aufstellen, sagte Scheer.
Wichtig sei vor allem auch die Kommunikation zwischen Politik und Industrie. Auch Microsoft will einen intensiven Dialog mit Politik, Verwaltung und gesellschaftlichen Gruppen führen. Damit sollen die notwendigen Rahmenbedingungen für das Cloud Computing geschaffen werden. Zum Thema Datenschutz will die IT-Branche am Dienstag in Hannover eine Selbstverpflichtungserklärung der Industrie an die Politik übergeben. Deutschland könne sich in Sachen Datenschutz allerdings keine Insellösung leisten, sagte Scheer. Es gelte, internationale politische Rahmenkonzepte zu entwickeln.