Hewlett-Packard will mit WebOS neu angreifen
Böblingen (dpa) - Personal Computer und Server, Drucker und Digitalkameras, Netztechnik und Software-Lösungen: Hewlett-Packard (HP) bietet von allen IT-Konzernen das breiteste Angebot. Andere Branchengrößen wie IBM haben sich vom PC-Geschäft und weiteren Randbereichen getrennt.
HP aber nimmt es in Kauf, dass der Koloss mit einem Jahresumsatz von 126 Milliarden Dollar schwerer zu steuern ist und will jetzt „die Macht des Portfolios“ als Vorteil ausspielen - vor allem beim großen Trend Cloud Computing, der „IT aus der Steckdose“, wie es Deutschland-Geschäftsführer Volker Smid nennt.
Vier Monate nach dem skandalumwitterten Führungswechsel bei HP greift das Unternehmen neu an. „Ich glaube nicht, dass wir ein IBM-Klon sein wollen“, sagt der neue Vorstandschef Léo Apotheker. Hewlett-Packard gehe einen anderen Weg und wolle Software, Hardware und Dienstleistungen zusammenführen. Was ist für Apotheker der größte Unterschied zwischen seinem früheren Unternehmen SAP und HP? Der Manager antwortet: „Es ist die Größenordnung von HP, die diesen Job sehr einzigartig macht.“
In einer Videokonferenz mit Journalisten am Sitz der deutschen HP-Niederlassung in Böblingen bei Stuttgart betont der gebürtige Aachener, dass er bei den rund 325 000 Mitarbeitern eine ebenso positive Aufnahme gefunden habe wie bei den Kunden. Nur die Börse ist weiter skeptisch - unter Apotheker ist der Kurs bislang um 5,5 Prozent zurückgegangen.
An der Wall Street trauert man Apothekers Vorgänger Mark Hurd nach, der wegen der Beziehung zu einer Geschäftspartnerin und damit zusammenhängender Spesenabrechnungen in Ungnade fiel. Im August 2010 trat Hurd zurück. Vier Jahre zuvor wurden Journalisten bespitzelt, um die Quelle von vertraulichen Informationen ausfindig zu machen - damals musste die Verwaltungsratsvorsitzende Patricia Dunn gehen.
Das ist Vergangenheit. Jetzt will HP wieder mit Innovationen glänzen und „am Kreuzweg von Cloud Computing und Mobilität“ - so Apotheker - eigene Akzente setzen. Der iPad-Konkurrent HP TouchPad hat das Zeug dazu. Das liegt nicht an Hardware oder Design, sondern am Betriebssystem WebOS, das der kauffreudige Konzern im vergangenen Jahr bei der Übernahme des Handheld-Pioniers Palm erworben hat.
„WebOS ist ein offenes Betriebssystem, das die Grenzen zwischen verschiedenen Arten von Geräten wirklich überbrücken kann“, sagt Apotheker während der Schaltung vom kalifornischen Palo Alto nach Böblingen. Wie das aussieht, zeigt die deutsche HP-Managerin Regine Pohl, indem sie ein WebOS-Smartphone an das TouchPad hält und so eine Webseite von einem auf das andere Gerät überträgt: „Touch to share“ nennt HP diese Art des drahtlosen Datenaustauschs, die Bluetooth mit der Nahfeldkommunikkation (NFC) verbindet.
Das TouchPad soll im Juni auf den Markt kommen, zu Preisen von 499 bis 699 Euro. Bis Ende des Jahres will HP das WebOS dann auch auf den PC bringen - als zusätzliches Betriebssystem neben Windows. Der Anwender habe dann die Wahl zwischen beiden Systemen und könne je nach Nutzung das eine oder das andere starten, sagt Apotheker. Vor allem aber gehe es darum, „dem Nutzer eine einheitliche, nahtlose Erfahrung auf verschiedenen Arten von Geräten zu bieten.“
„Wir wollen WebOS auf alle Geräte bringen, die HP produziert“, sagt Apotheker. „Das sind dann etwa 100 Millionen Geräte im Jahr, was die Sache sehr attraktiv für Entwickler macht.“ Das Angebot an Apps, also kleinen Programmen für mobile Geräte, dürfte über Erfolg oder Misserfolg des HP-Konzeptes entscheiden. Zurzeit gebe es in Deutschland etwa 7000 Apps für WebOS, erklärt Pohl. „Bis zum Start der Geräte im Sommer wird das weiter ausgebaut.“
Der Markt bei den mobilen Geräten sei in Bewegung, sagt Apotheker. Die Entscheidung von Nokia, sein Symbian-System auslaufen zu lassen und stattdessen auf das mobile Windows zu setzen, sei eine große Chance - „das bedeutet, dass wir alle noch ganz am Anfang stehen und nicht am Ende“. Der Tablet omputer sei „eine Maschine für den Konsum von Informationen“, da werde die Nachfrage steigen. Längerfristig aber erwartet Apotheker, dass die jetzt noch so verschiedenen Geräte zusammenwachsen werden: „Früher oder später wird es irgendeine Form der Konvergenz von verschiedenen Formfaktoren geben.“
HP geht nun mit einer offensiveren Ausrichtung in den Wettbewerb. Lange Zeit war das Unternehmen der Liebling von allen - mit Microsoft wurden ebenso Partnerschaften gebildet wie mit SAP oder der Open-Source-Gemeinde. Jetzt sagt Deutschland-Chef Smid für das von ihm betreute Geschäft, HP wolle stärker wachsen als der Markt - „das bedeutet, dass wir anderen Marktanteile abnehmen.“