Intelligenter Supercomputer Watson auf der CeBIT

Hannover (dpa) - In der US-Quiz-Show „Jeopardy“ hat das IBM-Computersystem „Watson“ schon gewonnen. Jetzt sorgt es auch in Hannover für Furore. Die praktische Alltagsintelligenz eines Menschen können „Watson“ und Co. allerdings nicht erreichen.

„Watson“ lässt die Drähte glühen. Wenn der Computer ein Problem löst, zeigt sein Avatar, also sein visueller Stellvertreter als vielfarbige Kugel, wild umherlaufende Linien und aufleuchtende Punkte. Zwei Wochen nach dem Erfolg des Systems in der amerikanischen Quiz-Show „Jeopardy“ steht eine kleinere Ausgabe von „Watson“ auf der CeBIT (1. bis 5. März) in Hannover Rede und Antwort. Besucher fragen: Kann ein Computer intelligenter sein als der Mensch? Experten antworten mit einem klaren Nein.

Der nach dem langjährigen IBM-Chef Thomas Watson benannte Computer erschließe das in Unmengen von Texten verfügbare Wissen der Welt in einer natürlichen Sprache, erklärt der IBM-Entwickler Thomas Hampp-Bahnmüller. „Das allein ist genial und man kann sich kaum vorstellen, für was sich das alles nützen lässt.“ Das System könnte in der Medizin eingesetzt werden oder auch die Rolle einer Antwortmaschine übernehmen, welche die bisherigen Suchmaschinen ablöst.

Das Besondere an „Watson“ sind nicht die 2880 Prozessoren mit einer Taktrate von 3,55 Gigahertz und auch nicht der Arbeitsspeicher von 15 Terabyte. „Das kann sich jede größere Firma leisten, in der Rangliste der Supercomputer würde er nicht auftauchen“, erklärt Hampp-Bahnmüller, der zwei Jahre lang im „Watson“-Forschungslabor in Yorktown Heights nördlich von New York an der Entwicklung der „Watson“-Software mitgewirkt hat. „Und mehr Hardware macht das Ding zwar schneller, aber nicht besser.“

Nein, die eigentliche Leistung besteht im Austüfteln der Software, um aus unstrukturiertem Text, also Text ohne das präzise angepasste Korsett einer Datenbank, die für eine bestimmte Problemstellung benötigte Antwort herauszuziehen. „Wir haben Shakespeare eingegeben, die Wikipedia und die "New York Times", die Bibel, einfach alles“, erklärt der IBM-Entwickler, insgesamt 200 Millionen Buchseiten.

So lernt „Watson“: Ein Parser, also eine Art Lese-Software, wühlte sich durch die Textmassen. Ein sogenannter Syntax-Baum wurde erstellt, der die Beziehungen zwischen den Wörtern angibt. Außerdem erfolgte eine semantische Analyse, also die Untersuchung der Bedeutung. Die Ergebnisse wurden nach verschiedenen Richtungen bewertet: Wie verlässlich ist eine Quelle? Und wie populär ist sie?

Seine künstliche Intelligenz verbessert sich mit seiner künstlichen Dummheit: Aus einer falschen Antwort werden Konsequenzen gezogen, indem das Bewertungssystem angepasst wird, mit dem „Watson“ eine Rangliste für die 200 ermittelten Antwortmöglichkeiten erstellt.

Systeme wie „Watson“ seien zwar eine Spitzenleistung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, räumt der Saarbrücker Informatiker Wolfgang Wahlster ein, der sich seit 35 Jahren mit solchen Fragen beschäftigt. „Aber das sind alles nur Fachidiotensysteme. Sie versagen bei ganz simplen Alltagsaufgaben.“

Kein Computer kann sich auf einer belebten Straße über einen schnellen Blickkontakt so mit anderen verständigen, dass er Passanten nicht anrempelt. Künstliche Intelligenz weiß nicht, wie man einem Kind das Fahrradfahren beibringt. Software erkennt keine Ironie und kann auch nicht den Klang einer Stradivari von der einer modernen Violine unterscheiden.

„Dem Computer fehlt unser Erfahrungswissen und die menschliche Grundintelligenz, mit Unsicherheit umzugehen“, sagt Wahlster, Vorsitzender der Geschäftsführung beim Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Dort werden Alltagsgeräte mit digitaler Technik bestückt und in die Lage versetzt, über Funk Informationen auszutauschen.

„Die Maschine-Maschine-Kommunikation ist ein wichtiger CeBIT- Trend“, sagt Wahlster und präsentiert einen Cocktail-Shaker als „emotionales Cyber Physical System“: Der in seinem Fuß mit mehreren Sensoren ausgestattete Shaker erkennt, wenn eine Flasche mit Gin angehoben wird und hilft dem Hobby-Barkeeper, einen Cocktail fachgerecht zu mixen. Für die KI-Forscher ist das ein Beispiel, wie Alltagsobjekte mit digitaler Intelligenz ausgestattet werden und so neue Fähigkeiten erhalten.

„Wir können so jedem Alltagsobjekt ein Gedächtnis verleihen“, erklärt Wahlster. „Die Tiefkühlpizza hat dann alle Daten von der Herstellung bis zum Backofen gespeichert und kann die Frage beantworten: Sind da wirklich echte Biotomaten oder Kunstschinken drauf?“

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag auf dem IBM-Stand begrüßt wurde, verstand „Watson“ kein Wort. Er kann zwar sprechen, ist aber taub. Jetzt soll das System in Zusammenarbeit mit den Sprachanalyse-Experten der Firma Nuance so weiterentwickelt werden, dass es auch gesprochene Sprache verstehen kann. Und dann soll „Watson“ auch Deutsch lernen. Das sollte kein Problem sein. Denn wie Professor Wahlster erklärt: „Deutsch ist für den Computer einfacher zu lernen als Englisch, da ist mehr Struktur drin. Ideal wäre Latein.“