Kuriose Beispiele und sachliche Diskussion Erster Bergischer Konjunkturpodcast: „Bei manchen Vorgaben entsteht Frust“
Wuppertal · Eine aktuelle Umfrage zeigt: Bürokratische Hürden setzen Bergische Unternehmen stark zu und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit. Im neuen Podcast diskutieren Wirtschaftsexperten und Politiker über die Auswirkungen und mögliche Lösungen.
Die Bergischen Unternehmer fühlen sich durch die Bürokratie deutlich belastet. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Regionalen Konjunkturbarometers. „Wir haben von rund Zweidrittel der befragten Unternehmen die Rückmeldung erhalten, dass sie sich stark oder sogar sehr stark durch Bürokratie belastet fühlen und dass sich das auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirkt“, sagt Markus Doumet vom Wuppertaler Institut für Unternehmensforschung und Organisationspsychologie. Er erhebt gemeinsam mit Institutsleiter André Betzer seit Frühjahr 2018 quartalsweise das Regionale Konjunkturbarometer. Nun gibt es in Zusammenarbeit mit der Westdeutsche Zeitung dazu auch einen Podcast.
Im Bergischen Konjunkturpodcast bekommen Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung die Möglichkeit, über aktuelle Themen, die die Bergische Wirtschaft betreffen, zu diskutieren. Im ersten Teil der Reihe trafen sich Sandra Zeh, Dezernentin der Stadt Wuppertal für die Bereiche Personal, Digitalisierung und Wirtschaft mit IHK-Präsident Henner Pasch und Markus Doumet zum Gespräch.
Am stärksten belastet fühlen sich die großen Mittelständler
Insbesondere in den vergangenen drei Jahren sei ein deutlicher Anstieg der Belastung bei den Umfragewerten erkennbar, so Markus Doumet im Prodcast. Die Vorgaben, die dabei von den Unternehmern verlangt würden, seien vielfältig. „Wenn es um Bürokratiebelastung geht, geht es ja erstmal darum, dass wir in Deutschland einen Rechtsstaat haben, dass Unternehmen reguliert sind, was ja erstmal per se nichts Schlechtes ist, denn es geht ja auch um fairen Wettbewerb. Doch die Unternehmen unterliegen einer ganzen Reihe von Berichtspflichten“, sagt Doumet. Diese variieren nach Branchen und Unternehmensgröße. „Am stärksten belastet fühlen sich tatsächlich aktuell die großen Mittelständler.“
Als Unternehmer aus Solingen unterliegt Henner Pasch selber zahlreichen bürokratischen Vorgaben. Als Präsident der Bergischen IHK ist er aber auch im ständigen Austausch mit den Unternehmern der Region. Darum hatte er zum Gespräch auch gleich mehrere Beispiele mitgebracht, welchen Anforderungen Unternehmer erfüllen müssen. „Wenn ich in meinem Unternehmen in Solingen Garten- und Landschaftsbauer mit der Gartenarbeit im Sommer beschäftige, muss ich überprüfen, ob die sich im Vorhinein auch brav eingecremt haben. Ein Unternehmen soll Sorge tragen, dass seine Arbeitnehmer keinem Hautkrebsrisiko ausgesetzt sind. Das kann ich nachvollziehen, aber muss man das dem Unternehmer aufdrücken? Oder kann sich nicht vielmehr der mündige Beschäftigte selber darum kümmern?“, fragt er.
Ein weiteres Beispiel kommt aus einem Unternehmen nahe der Wupper, das aufgrund des Brandschutzes eine Wasserentnahmestelle in der Wupper errichten musste und diese auch freifischen sollte. „Wie man in einem Fließgewässer nachweist, dass man einen Bereich freigefischt hat, erschließt sich niemandem, erschloss sich der Behörde auch nicht“, erklärt Pasch. Irgendwann hätte der Unternehmer aber schließlich alle Nachweise erfüllt. „Das hat einen sechsstelligen Betrage gekostet. Als die Feuerwehr zur Abnahme kam, waren auch die ratlos, wofür er die Entnahmestelle braucht. Die Feuerwehr hätte schließlich Pumpen, um im Brandfall das Wasser aus der Wupper zu entnehmen. Bei solchen Sachen entsteht natürlich Frust“, sagt Pasch. Er verweist auf Nachbarländer, in denen die Vorgabe deutlich freier umgesetzt werden und erwartet von der Verwaltung mehr Pragmatismus.
Dezernentin Sandra Zeh, hat selber auch schon zahlreiche solcher Geschichten gehört. „Aber ich darf sagen, dass wir auch als Stadtverwaltung durchaus unter dem Thema Bürokratie leiden. Wir müssen die Regelungen umsetzen und die Einhaltung kontrollieren. Das führt dazu, dass wir mehr Personal benötigen, auch qualifiziertes Personal. Das ist häufig schwer zu generieren am Arbeitsmarkt, aber auch in der Menge, in der wir es benötigen, schlichtweg für eine Kommune nicht bezahlbar“, sagt die Dezernentin. Die Kommunen müssten an der Basis umsetzen, was auf Bundes- oder EU-Ebene beschlossen wird.
Die Dichte an Regulierungen ist in Deutschland sehr hoch. In anderen Ländern aber auch. Und dennoch würden die Betriebe im Ausland die Bürokratie als nicht so belastend empfinden, erzählt Markus Doumet: „In vielen anderen Ländern versteht sich die Verwaltung mehr als Dienstleister der Bürger und Unternehmen. Da wird schon im Vorfeld von Anträgen mehr besprochen und zusammengearbeitet. Der zweite Punkt ist die Digitalisierung. Da habe andere Länder Deutschland viel voraus und bieten zahlreiche Tools, die Antragsstellung und Berichterstattung deutlich vereinfachen.“
In allen Bereichen werde gerade an deutlichen Verbesserungen gearbeitet. „Der Deutsche Städtetag fordert zum Beispiel, das Gesetz nicht mehr eingebracht werden, wenn sie den Praxistest nicht bestehen. Egal ob auf Bundes oder Landesebene, wenn es den Praxistest nicht besteht, soll es nicht beschlossen werden.“
Für die Verwaltung schwebt Zeh eine Art One-Stop-Agency vor, insbesondere da auch immer wieder Klagen kommen, dass in einzelne Prozesse zu viele Ansprechpartner involviert sind. Auf diese Art können einzelne Prozesse gebündelt abgearbeitet werden. „So schaffen wir Transparenz, indem die Person, die den Erstkontakt hat, auch in der Lage ist, über den Verfahrensgang immer wieder Auskunft zu geben und nicht die Notwendigkeit hat, an den nächsten Kollegen die nächste Kollegin zu verweisen.“ Klar ist aber auch, dass dieser Prozess noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird.
In der nächsten Folge des Bergischen Konjunktur-Podcasts soll es um die Bundestagswahl und die anstehende Neuausrichtung der hiesigen Wirtschaftspolitik auch mit Blick Richtung Vereinigte Staaten, Trump und den drohenden Strafzöllen gehen.