Julian Assange und seine unautorisierte Autobiografie

London (dpa) - Die mit Spannung erwartete Autobiografie von Wikileaks-Gründer Julian Assange ist veröffentlicht, und er selber konnte nichts mehr dagegen tun. Ohne seine Autorisierung hat der schottische Verlag Canongate die Lebensgeschichte des Internetaktivisten veröffentlicht.

Zwar hatte Assange einen Vertrag unterschrieben, einem Ghostwriter rund 50 Stunden lang Interviews gegeben und seinen angeblich sechsstelligen Vorschuss bereits für seine Anwaltskosten ausgegeben. Doch dann plötzlich die Wende: Memoiren seien Prostitution, er wolle das Ganze in anderer Form machen und erst im nächsten Jahr, erklärte der Australier - vergeblich.

Schon wieder eine neue Front auf dem Schlachtfeld des Assange. Von der Wut der US-Regierung und weltweiter Geheimdienste über die Kritik der Zeitung „Guardian“ bis hin zu Vorwürfen sexuellen Missbrauchs hat er eigentlich genug Ärger am Hals. Die von ihm ins Leben gerufene Plattform hatte zigtausende geheime Dokumente zum Krieg in Afghanistan und anderes brisantes Material veröffentlicht. Er selber sitzt in Großbritannien seit Monaten im Landsitz eines Freundes fest und wartet auf eine Entscheidung im Auslieferungsverfahren nach Schweden. Dort wird er der Vergewaltigung beschuldigt.

Ist der Streit um das Buch mit dem Titel „Julian Assange - The unauthorised Autobiography“ ein neuer Beweis, dass Assange geradezu Konfliktsüchtig und von sich selbst fast grenzenlos überzeugt ist? Oder steckt dahinter tatsächlich das von seinen Unterstützern vorgebrachte Argument, Assange habe einfach die Nase voll von der Konzentration auf sein Privatleben? Statt seiner Bettgeschichten solle wieder die Enthüllungsplattform Wikileaks ins Rampenlicht - das soll der Grund für die überraschende Absage an den Deal gewesen sein, der Anfang Januar noch groß gefeiert worden war.

Zum Höhepunkt des Medienrummels um Wikileaks und ihn persönlich hatte Assange den Vertrag unterschrieben. Canongate verkaufte die Rechte an 38 Verlage weltweit weiter, in den USA sollte die Autobiografie beim Verlag Alfred A. Knopf erscheinen. Assange führte Interviews mit dem schottischen Autor Andrew O'Hagan. Soweit stimmen die Berichte beider Seiten überein. Im Juni teilte Assange Canongate mit, er wolle den Vertrag kündigen. Dann gehen die Angaben auseinander: Laut Verlag unternahm Assange nicht die nötigen juristischen Schritte. Laut Assange handelte der Verlag über seinen Kopf hinweg.

Was genau in dem Buch steht, dürfte Assange nach eigener Aussage selber erst am Donnerstag erfahren haben. In einer per Internetdienst Twitter verbreiteten Stellungnahme gab er an: „Ich muss meine eigene "Autobiografie" kaufen, um vom Ausmaß der Fehler und Ungenauigkeiten zu erfahren, aber der Schaden ist angerichtet.“ Es handle sich bei dem veröffentlichten Text um den „fehlerhaften Entwurf“, der nach den Interviews entstanden sei. „Dies ist eine narrative und literarische Interpretation eines Gesprächs zwischen mir und dem Schreiber.“

Der Verlag begründet den ungewöhnlichen Schritt damit, dass die Vertragsbedingungen die Veröffentlichung erlaubten. Außerdem sei man der Meinung, das Buch sei herausragend und „erkläre sowohl den Mann als auch seine Arbeit“. Assange soll Tantiemen an dem Buch bekommen. Er hatte gesagt, der Verdienst aus dem Buch solle in seine Gerichtskosten und Wikileaks fließen.

Bei der Lektüre im Landhaus eines Freundes, wo Assange sich aufhalten muss, dürften ihm selber vermutlich einige Details sauer aufstoßen. Für den normalen Leser allerdings hält sich das Skandalpotenzial auf den ersten Blick in Grenzen. Assange berichtet erneut davon, dass er mit den beiden Frauen, die ihm sexuelle Nötigung vorwerfen, einvernehmlichen Sex hatte. Vielleicht habe es Missverständnisse gegeben, vielleicht waren die Frauen sauer, dass er nicht zum Partner taugte, heißt es.

Überzeugt zeigt sich Assange in dem Buch auch weiterhin darin, dass die US-Behörden ihn in eine Schmutzkampagne zogen, weil sie juristisch nichts anderes gegen ihn tun konnten.

Neu dürfte für viele sein, wie Assange zum wohl berühmtesten Hacker der Welt wurde. So erzählt das Buch, wie er sich als Teenager die Nächte um die Ohren schlug und sich in den Computersystemen der Nasa, des Pentagons und großer Konzerne herumtrieb. Beschrieben wird auch, wie er von 2006 an unter persönlichen Entbehrungen Wikileaks aufbaute und überall auf der Welt nach Freiwilligen suchte.

Bei der Ankündigung seiner Autobiografie hatte Assange noch geschwärmt, das Werk solle ein „vereinigendes Dokument unserer Generation“ werden. Er werde den globalen Kampf erklären, mit dem Wikileaks neue Beziehungen zwischen Regierungen und den Menschen schaffen wolle. Am Erscheinungstag hieß es dann nur noch: „Meine Möglichkeiten, einen Kommentar zu diesem Buch abzugeben, sind sehr eingeschränkt.“