Kahlschlag bei Nokia: Microsoft-Chef stellt sich der Realität
Redmond (dpa) - Der Sturzflug des Mobilfunk-Pioniers Nokia geht für viele Beschäftigte nicht glimpflich aus. Knapp ein Jahr nach der Übernahme der Handy-Sparte von Nokia durch Microsoft verkündete der neue Eigentümer einen weiteren harten Schnitt.
Etwa jeder zweite der 25 000 Ex-Nokianer, der in zu dem Softwareriesen gewechselt war, verliert in den kommenden Monaten seinen Job bei Microsoft.
Hinter der harten Ansage des neuen Microsoft-Chefs Satya Nadella steht aber nicht nur ein Ende mit Schrecken für viele Nokia-Leute in seinen Reihen. Auch altgediente Microsoftler müssen sich auf Veränderungen einstellen.
Etwa 5 500 von ihnen werden diesen Prozess nicht mehr in dem Unternehmen erleben, weil auch sie ein Kündigungsschreiben im rosaroten Umschlag überreicht bekommen. Insgesamt macht die Zahl der Kündigungen 15 Prozent der Belegschaft aus.
Mit dem Stellenabbau zieht Nadella zum einen unausweichliche Konsequenzen aus der Nokia-Übernahme und dem Umbruch in der Computerbranche. Selbst wenn die knallbunten Lumia-Smartphones mit dem Microsoft-System Windows Phone irgendwann ein größeres Publikum finden sollten: Welches Unternehmen braucht beispielsweise zwei unterschiedliche Marketingabteilungen, wo doch alle Dienste und Geräte sich immer stärker vernetzen?
Mit den Maßnahmen reagiert Microsoft-Boss Nadella auch viel konsequenter als sein Vorgänger Steve Ballmer auf die Umwälzungen im Software-Markt. Unter der Regentschaft von Microsoft-Mitbegründer Bill Gates und seinem Kumpel Ballmer brachte der Software-Riese einen Windows-PC auf quasi jeden Schreibtisch der Welt, in dem im Zweifelsfall auch ein Office-Paket von Microsoft zu finden war. Doch trotz großer Erfolge mit Server-Produkten und der Spielekonsole Xbox wurde Microsoft in den vergangenen Jahren von Konkurrenten wie Google und Apple überholt.
In den goldenen Jahren der PC-Ära kam Microsoft mit seinem Betriebssystem auf einen Marktanteil von deutlich über 90 Prozent. So ziemlich jeder PC-Hersteller setzte die Software ein und die meisten Kunden konnten sich kaum eine Alternative vorstellen. Wenn man Smartphones und Tablets nun auch als Computer rechne, komme Microsoft gerade mal auf 14 Prozent Marktanteil, räumte der fürs Tagesgeschäft zuständige Microsoft-Manager Kevin Turner vor einigen Tagen ein.
Das vielgelesene Wall-Street-Nachrichtenportal „Business Insider“ griff zu drastischen Worten: „Satya Nadella räumt Steve Ballmers Mist auf“. Ballmer hatte bei Microsoft das Erfolgsrezept von Apple kopieren wollen, nämlich Geräte und Software aus einer Hand anzubieten, damit diese wie geschmiert zusammen laufen. Deswegen brachte Microsoft unter Baller auch einen eigenen Tablet-Computer heraus namens „Surface“. Ein Renner wurde der iPad-Rivale bislang nicht.
Nokia passte perfekt in die neue Ballmer-Welt. Der damalige Microsoft-Chef hatte die schwächelnden Finnen schon vorher sein Unternehmen gebunden. Unter der Führung des Ex-Microsoftler Stephen Elop sprang Nokia sprang Nokia von der brennenden Plattform ins Rettungsboot Microsoft und setzte nun das wenig populäre Smartphone-Betriebssystem Windows Phone für die Nokia-Topmodelle ein. Am Ende kaufte Ballmer für 5,4 Milliarden Euro kurzerhand das komplette Handygeschäft von Nokia.
Nadella trennt sich nun von einem großen Teil der Mannschaft. Er besinnt sich auf die Microsoft-Wurzeln und setzt vor allem auf Software und die sogenannten Cloud-Dienste im Internet. Ob es nun ein iPhone, ein iPad, ein Samsung Galaxy oder ein Nokia-Smartphone ist, von dem aus der Nutzer sein Microsoft-Office-Dokument aus dem Internet abruft, ist für Nadella eher zweitrangig. Eigene Handy-Fabriken braucht man für die Umsetzung dieser Vision nicht.