Kreatives Potenzial: Alte Objektive an neuen Kameras

Berlin (dpa/tmn) - Zahllose Objektive alter Spiegelreflexkameras ruhen ungenutzt im Schrank. Dabei können die meisten dieser Linsenpakete aus analogen Vorzeiten auch mit digitalen Spiegelreflexkameras sinnvoll genutzt werden - wenn man weiß, auf was dabei zu achten ist.

Spiegelreflexkameras bieten den großen Vorteil, dass bei ihnen je nach Motiv das Objektiv gewechselt werden kann: Gebäude werden mit einem Weitwinkelobjektiv aufgenommen, Personen mit mittlerer Brennweite und Vögel in freier Natur mit einem Teleobjektiv. Beim Kauf einer neuen Spiegelreflexkamera ist aber meist nur eine sogenannte Optik dabei. Da können Objektive nützlich sein, die vor Jahren an einer analogen Kamera im Einsatz waren und nun ungenutzt im Schrank liegen oder günstig im Gebrauchthandel zu bekommen sind.

„Bei den alten Objektiven gibt es ein paar sehr gute Perlen, die wirklich toll sind“, sagt Björn Thiel, Fototechnik-Experte beim Kamera-Hersteller Nikon. Um ihren Kunden den Einsatz älterer Optiken zu ermöglichen, haben zum Beispiel Nikon und Pentax ihre Objektivsysteme nach Einführung der Autofokus-Technik nicht eingestellt, sondern weiterentwickelt. So gibt es das Pentax-K-Bajonett seit 1975, das F-Bajonett von Nikon sogar schon seit 1959.

Alte Objektive passen grundsätzlich am besten an eine neue Kamera desselben Herstellers. Ältere Objektive für Praktica-Kameras aus DDR-Produktion, von Foto-Quelle oder Photo-Porst haben meist ein M42-Schraubgewinde. Mit speziellen Adaptern lassen sich solche Objektive aber auch an den Bajonett-Anschluss einer Canon oder Minolta anbringen.

Wenn das Objektiv nicht zu alt ist, funktioniert die automatische Belichtungsmessung der neuen Kamera auch noch mit der alten Optik - bei Nikon reicht die Kompatibilität bis zum Jahr 1977 zurück, als die AI-Blendentechnik eingeführt wurde. Allerdings muss der Blendenring auf die kleinste Blende eingestellt werden. „Das zu steuern, ist keine große technische Herausforderung“, sagt Experte Thiele. „Der Fokus ist da sehr viel komplizierter.“ Hier muss man bei den meisten Objektiven auf den Autofokus verzichten und das Motiv manuell scharf stellen.

Allerdings genügt die analoge Optik meist nicht mehr den Anforderungen von Profis. „In der Auftragsfotografie arbeite ich nur noch mit Objektiven, die für Digitalkameras optimiert sind“, sagt die Mainzer Fotografin Heike Rost. „Anders ist das bei meinen kreativen Erkundungen. Da lege ich Wert auf Gestaltung: durch Unschärfen, Störungen, durch bewusst eingesetzte Farbfehler in der Abbildung.“

Alle Hersteller haben ihre Objektive für digitale Kameras nicht nur um die elektronische Datenübermittlung für Autofokus und Belichtung ergänzt, sondern auch die Linsen selbst an die Erfordernisse der Digitalfotografie angepasst. Der digitale Sensor erfasst Lichtstrahlen anders als der analoge Film. Die Technik trägt diesen Besonderheiten Rechnung etwa durch Mikrolinsen auf dem Sensor, oder auch durch immer modernere Techniken der Vergütung; dabei wird zum Beispiel eine hauchdünne Metallbeschichtung auf die Linse aufgetragen, um Lichtverluste und Farbverschiebungen zu minimieren.

„Natürlich sind neue Objektive besser“, sagt der Koblenzer Michael Jordan, der sich als Fotograf und Buchautor vor allem mit kreativen Fototechniken beschäftigt. Alte Objektive könne man aber etwa für Porträtaufnahmen sinnvoll nutzen, wo es nicht auf gestochen scharfe Pixel, sondern auf eine weiche Abbildung ankomme. „Ich habe von meinem vor 15 Jahren gestorbenen Vater mehrere alte Objektive bekommen und dann überlegt, was mache ich mit den alten Schätzen? Da habe ich eine Weile herumexperimentiert und bin, wie ich finde, zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen.“