Kriminelle im Netz fordern Polizei heraus

Berlin (dpa) - Geplünderte Bankkonten, ergaunerte Daten, lahmgelegte Netzwerke: Für Kriminelle bietet das Internet immer neue Möglichkeiten. Ermittlern macht das zu schaffen. Fachleute warnen vor wachsenden Risiken und fordern ein Umdenken der Sicherheitsbehörden.

Kriminelle fühlen sich sicher im Internet. Sie müssen nicht mal das Haus verlassen, um Bankkonten leer zu räumen, Netzwerke von Unternehmen lahmzulegen oder Kinder zu belästigen. Ein paar Mausklicks genügen. Immer mehr Verbrecher sind im Netz unterwegs, bewegen sich maskiert und auf schwer nachvollziehbaren Wegen durch das Cyberspace - und sie lernen schnell. All das macht Sicherheitsexperten rund um die Welt zunehmend zu schaffen. Beim Europäischen Polizeikongress in Berlin beraten mehr als 1000 Fachleute aus 60 Nationen über das Problem. Ihre Erkenntnis: Wenn die Sicherheitsbehörden nicht umdenken, kommen sie nicht hinterher.

Eine Million Menschen auf der Welt werden jeden Tag Opfer von Internetkriminalität. Der Schaden beläuft sich jährlich auf rund 290 Milliarden Euro. Allein in Deutschland registrierten die Behörden 2011 rund 60 000 Fälle von Cyberkriminalität. Die Liste der Delikte ist lang: Kriminelle erschleichen sich Zugangsdaten zum Onlinebanking und plündern Konten, sie klauen im großen Stil Daten von Usern und verkaufen sie weiter, drohen Unternehmen mit Angriffen auf ihre Netzwerke und erpressen so Schutzgeld. Sie spionieren Betriebsgeheimnisse aus, schleusen Trojaner in Netzwerke von Ministerien und Behörden ein oder verbreiten massenhaft Kinderpornos.

Immer wieder sorgen prominente Fälle für Aufsehen: Der Wurm Stuxnet sollte vor wenigen Jahren iranische Atomanlagen sabotieren. Die Hacker-Gruppe Anonymous legte mehrfach die Webseite der Musikrechtegesellschaft Gema lahm. Zuletzt versuchten Unbekannte ausgerechnet mit einer gefälschten Seite von Bundespolizei und Bundeskriminalamt, Geld von Internetnutzern zu ergaunern. Manches bleibt aber auch im Verborgenen: Viele Firmen etwa machen Angriffe auf ihre Netze bewusst nicht bekannt - aus Angst um ihren Ruf.

Für die Sicherheitsbehörden ist es schwierig, mit der Entwicklung fertig zu werden. Das räumen die Experten beim Polizeikongress ein. Die Kriminellen im Netz sind wendig, sie reagieren schnell auf neue Sicherheitsstrategien und passen sich an. Und sie werden immer professioneller. So lautet die Diagnose vieler Fachleute. Die Behörden müssten grenzüberschreitend denken, sich mehr austauschen, spezialisieren und neue Wege gehen, mahnen Vertreter der internationalen Polizeiorganisationen Interpol und Europol.

Rolf Rainer Jaeger vom Bund Deutscher Kriminalbeamter formuliert es unverblümter: Die Sicherheitsbehörden hätten die Entwicklung verpennt, klagt er. Das alte Tatort-Prinzip habe ausgedient, die Gesetzesregelungen seien auf Internetkriminalität nicht mehr anzuwenden - und die früheren Methoden der Ermittler auch nicht. „Die Polizei kann im Internet nicht auf Fingerabdrücke und DNA-Spuren bauen“, sagt er. Das Wissen, das geeignet gewesen sei, um Diebe und Räuber zu überführen, sei immer weniger geeignet, um Kriminelle im Netz zu fassen. Firmen setzten bei Cyberkriminalität oft auf private Ermittler, weil sie denen mehr zutrauten als staatlichen Stellen.

Untätig waren Polizei und Politik allerdings nicht. Seit langem gehen etwa Ermittler von Bund und Ländern im Internet auf Streife, durchforsten Soziale Netzwerke und Millionen Webseiten. Polizeigewerkschaftern ist das aber noch zu wenig. Sie fordern tausende „Cyber-Cops“ zusätzlich.

Seit April 2011 arbeitet in Deutschland außerdem ein Nationales Cyber-Abwehrzentrum, im Januar startete auch in der EU ein Zentrum zum Kampf gegen Internetkriminalität. Diese Stellen sollen frühzeitig vor groß angelegten Cyberangriffen warnen, Fahnder und Staatsanwälte schulen und auf neue kriminelle Maschen hinweisen. Manch einer belächelt die Einrichtungen aber. Das deutsche Zentrum hat zehn feste Mitarbeiter, das europäische 35. Technisch und personell seien sie doch etwas minderbemittelt, spotten IT-Sicherheitsexperten aus der Wirtschaft beim Polizeikongress. Hier müsse sich noch einiges tun. „Denn eines ist klar: Das Problem der Cyberkriminalität wird nicht mehr verschwinden“, meint ein Experte.

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