Momo und Co: Junge YouTuber sind für Gleichaltrige Stars
Frankfurt/Main (dpa) - Die Hände hat Mohamed Satiane, genannt Momo, in den Taschen seiner schwarzen Lederjacke vergraben. Sein Grinsen scheint etwas müde an diesem sonnigen Vormittag am Frankfurter Mainufer.
Vielleicht, weil der Rummel um seine Person auch den 18-Jährigen selbst überrascht hat.
Denn eine Innenstadt legt man ja nicht alle Tage lahm. Als Momo kürzlich an einem Samstag in der Dortmunder City shoppen wollte, wurde er plötzlich von Hunderten Jugendlichen umlagert - seinen Fans. Sie bedrängten ihn, wollten ein Foto. Momo hatte die Tour wenige Stunden zuvor auf seiner Facebook-Seite „Momonews“ angekündigt. Die Polizei musste den Frankfurter schließlich in einem Streifenwagen wegbringen.
Wenn er nicht gerade Massenaufläufe verursacht, lebt Momo ein eher normales Leben - nur dass er die interessierte Öffentlichkeit in kleinen Filmen bei Facebook und in Googles Videoportal YouTube daran beteiligt. Meist werden die Videos eingeleitet mit Fragen wie „Kennt ihr das...“, zum Beispiel: „Kennt ihr das? -.- ihr seid mit einem Mädchen am flirten, und dann muss die Beste Freundin alles kaputt machen?“ Fast eine halbe Million Leute haben seine Beiträge auf Facebook mit „Gefällt mir“ gekennzeichnet.
Große Abräumer auf YouTube sind in Deutschland beispielsweise das Comedytrio von Y-Titti (3,1 Millionen Abonnenten) oder LeFloid, der Nachrichten kommentiert (gut 2,4 Millionen Abonnenten).
Dass jetzt auch bislang weniger beachtete Szenestars wie Momo eine derartige Bekanntheit erreichen, überrascht den Internetsoziologen Stephan Humer nicht. Er verweist auf die Bedeutung, die neue Medien gerade bei Jugendlichen spielen: „Wenn Sie heute einen 15-Jährigen fragen, ob er Filme im Netz oder im Fernsehen guckt, wird der immer ersteres sagen.“ Und diese Entwicklung stehe gerade erst am Anfang. „Da kommt noch richtig was nach“, prophezeit der Forscher.
Jede Minute wird auf YouTube Videomaterial in einer Länge von rund 300 Stunden hochgeladen, das sind in einer Stunde Videos in einer Länge von 750 Tagen. Die Videoplattform beziffert ihre Nutzerzahl auf mehr als eine Milliarde weltweit. YouTube soll in Europa allein für gut 17 Prozent des Internet-Traffics verantwortlich sein. Das wohl meistgeklickte YouTube-Video - „Gangnam Style“ des südkoreanischen Rappers Psy - wurde mehr als zwei Milliarden Mal aufgerufen.
„Man kann eine riesengroße Zielgruppe erreichen“, erklärt Internetsoziologe Humer. Dabei gehen Chancen und Risiken für die jungen YouTuber - so werden die Leute genannt, die auf der Plattform ihre Beiträge veröffentlichen - Hand in Hand. Auf der einen Seite winken Popularität und Anerkennung. Doch durch die Kommentarfunktionen gibt es auch immer wieder negative Reaktionen. „Und damit muss man umgehen können“, sagt Humer.
Die singenden Zwillinge Heiko und Roman Lochmann, alias „DieLochis“, haben inzwischen mehr als 1,2 Millionen Abonnenten bei YouTube. Was vor dreieinhalb Jahren aus Langeweile anfing, schlägt inzwischen immer höhere Wellen: Für die beiden 15-Jährigen aus dem südhessischen Riedstadt ist der YouTube-Kanal neben der Schule fast zum Fulltime-Job geworden. Anfangs texteten sie noch Songs aus den Charts um, inzwischen schreiben sie eigene Lieder. Darin geht es um Erfahrungen, die sie als Jugendliche machen: „Ich bin blank“ oder „Durchgehend online“ heißen zwei ihrer Titel.
„Viele sagen, das wäre eine Marktlücke“, sagt Heiko auf die Frage nach ihrem Erfolgsgeheimnis. „Und im Endeffekt sind wir ja selbst die Zielgruppe.“ Vor allem die 11- bis 16-Jährigen schauten ihre Videos an, sagt er. Auch Momo weiß ungefähr, wer seine Fans sind. Die einsehbare Statistik in den sozialen Netzwerken zeigt ihm: Zwischen 14 und 21 Jahren sind die meisten alt. „Die Jugendlichen suchen Vorbilder, die für sie erreichbar sind“, erklärt der Soziologe Humer.
Momo und die Lochmann-Zwillinge haben beide noch anderthalb Jahre Schule vor sich. Und dann? „Wir bleiben dann erst mal selbstständig“, sagt Heiko. „Es ist megacool, seine Leidenschaft zum Beruf zu machen.“ Auch Momo will „in Richtung Medien gehen“. Schauspieler - das wäre was, sagt er. „Vielleicht hilft mir ja meine Facebook-Seite dabei.“ Nach dem Zwischenfall in Dortmund sind seine Klickzahlen jedenfalls gestiegen.