Monstergeschäft „Pokémon Go“? Wie Händler vom Hype profitieren
Berlin (dpa) - Kaum ist der Wirbel um das Smartphone-Spiel „Pokémon-Go“ ausgebrochen, wittern die ersten Händler lukrative Geschäfte.
Ein Wiener Autoteile-Händler gewährt 20 Prozent Nachlass auf Scheibenwischer oder Motoröle, wenn man auf dem Firmengelände ein virtuelles Monster fängt. Eine Saftbar im amerikanischen Gainesville schenkt Zockern einen Smoothie, wenn sie über die App weitere Spieler anlocken. Erste Ladenbesitzer in Deutschland erhoffen sich Geschäfte. Handelsverbände sehen neue Chancen von Unternehmen.
„Pokémon Go“ inzwischen auch in deutschen App-Stores erhältlich. Virtuelle Monster fangen und sie gegeneinander kämpfen lassen: Die App knüpft an das Prinzip der beliebten Spiele für Nintendo-Konsolen an. Mit einem wesentlichen Unterschied: Um voranzukommen, müssen sich Spieler auf der Suche nach neuen Monstern, Prämien oder Kontrahenten in die Wirklichkeit begeben. Das Spiel basiert auf echten Geodaten. Bei eingeschalteter Kamera werden die Monster auf dem Smartphone-Bildschirm in die echte Umgebung eingeblendet. Straßen, Parks oder Einkaufszentren werden zum Jagdgebiet.
Läden, Krankenhäuser, öffentliche Einrichtungen: Häufig besuchte Orte in der Realität verwandeln sich im Spiel zu Kampfarenen oder Plätzen zum Auffüllen der Ausrüstung (Pokéstops). Unklar ist noch, nach welchen Kriterien der Entwickler Niantic Labs und die Nintendo-Beteiligung Pokémon Company diese Orte gesetzt haben. Fest steht: Durch die App werden sie häufiger besucht. Einige Orte in Übersee wurden regelrecht überrannt. In den nächsten Wochen und Monaten wird es möglich sein, den Schöpfern neue Orte für Kampfarenen oder Pokéstops vorzuschlagen, heißt es aus Kreisen der Entwickler.
Ein Berliner Souvenirladen in der Nähe des Brandenburger Tors ist in der virtuellen Spielwelt als Kampfarena markiert. Verkäufer Björn Rahn freut's: „Ich denke, wir können einen neuen Kundenstamm gewinnen.“ Besonders viele „Pokémon“-Spieler habe er vor oder in dem Geschäft noch nicht gesehen. „Einen Ansturm durch das Spiel wie in anderen Ländern haben wir noch nicht gemerkt“, sagt Rahn.
In sozialen Netzwerken häufen sich Berichte, wonach Spieler ihre Restaurantsuche mit attraktiven Jagdverhältnissen abstimmen. Gaststätten etwa in Australien haben darauf reagiert und legen zu festgelegten Zeiten Köder aus, um seltene „Pokémon“ anzulocken. Das soll Kunden animieren, beim Essen auf Monsterjagd zu gehen. Und glaubt man Nutzern auf Twitter, soll es bereits Beschwerden wegen fehlender Monster im Lokal gegeben haben.
Für Marketing-Strategen eröffnet der Rummel um das Spiel ganz neue Möglichkeiten. Der Sprecher vom Handelsverband Deutschland, Stefan Hertel, sagt: „Die Beteiligung an Pokémon Go hat da angesichts des derzeitigen Hypes durchaus Potenzial, gerade jüngere und internetaffine Kundschaft in die Läden zu holen.“ Für Spieler steigere das das Einkaufserlebnis und die Verbundenheit zu den Geschäften vor Ort. Firmen könnten in der virtuellen Welt auf sich aufmerksam machen oder mit Gutscheinen oder Rabatten auf ihre Online-Shops hinweisen, sagt Martin Groß-Albenhausen vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel.
Das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ erklärt bereits ganz konkret, wie Ladenbesitzer vom Hype profitieren können: „Weisen Sie sie nicht zurück, locken Sie sie an“. Unternehmer sollen sich eine versteckte Werbemöglichkeit zunutze machen. Durch In-App-Käufe können Spieler Köder auf die Karte setzen, die Monster für 30 Minuten anlocken. Wenn Geschäfte das machen, könnte die „Pokémon“-Ansammlung in ihrer Nähe auch potenzielle Kunden anziehen. 100 Lockmittel sind aktuell im günstigsten Fall für rund 68 Dollar (61 Euro) zu haben.
Der Chef des Co-Entwicklers Niantic Labs, John Hanke, sagte jüngst der „New York Times“, in der Zukunft werde es für Geschäfte auch ganz offiziell die Möglichkeit geben, in dem Spiel mit gesponserten Punkten aufzutauchen. Einen Zeitpunkt dafür nannte er nicht. Im Moment ist Niantic damit beschäftigt, seine Server unter dem Ansturm der Spieler nicht in die Knie gehen zu lassen.
Zu einem Treffpunkt für „Pokémon“-Spieler ist auch eine Bäckerei in Berlin-Kreuzberg geworden. Vereinzelt stehen bereits Zocker vor dem Laden, wischen mit ihren Fingern über die Displays ihrer Smartphones und lassen ihre Monster gegeneinander kämpfen. Erkannt haben die Mitarbeiter das zunächst nicht. Künftig hofft Verkäuferin Kübra Sahin aber auf mehr „Pokémon“-Spieler: „Die Kurbeln das Geschäft bestimmt an“, hofft sie.
Doch Verbraucherschützer warnen: Ist Werbung als solche nicht gekennzeichnet, könnten Kunden getäuscht werden, erklärt Florian Glatzner vom Verbraucherzentrale-Bundesverband. Würden keine personenbezogenen Daten von Verbrauchern gesammelt, sei eine solche Praxis zumindest beim Datenschutz eher unkritisch. Dies sei aber nicht immer zu durchschauen: „Bei vielen Programmen hat der Nutzer kaum eine Chance zu sehen, welche Berechtigungen er freigibt und welche Daten fließen.“ Übrigens: An einer Außenstelle der Berliner Verbraucherzentrale ist ebenfalls eine Kampfarena. Die Mitarbeiter wussten davon nichts.