Musik-Verbandschef: Verbraucher mögen die CD immer noch
Berlin (dpa) - Der seit über einem Jahrzehnt schwächelnde deutsche Musikmarkt hat im ersten Halbjahr ein Plus von 1,5 Prozent geschafft. Der Geschäftsführer des Branchenverbands BVMI, Florian Drücke, sprach über die Aussichten für die oft totgesagte CD.
Die Vorhersagen über einen schnellen Tod der CD haben sich als deutlich verfrüht erwiesen. Woran liegt das?
Antwort: Es liegt am Käufer, daran, dass die Menschen physische Tonträger nach wie vor mögen. Und auch daran, dass die Branche den Wert der CD weiterhin schätzt und sie nicht verkümmern lässt - zum Beispiel mit Sonderausgaben-Boxen. Außerdem haben sich die Orakel schlicht getäuscht.
Der Anteil der CD in Deutschland ist höher als im internationalen Durchschnitt. Woran liegt das?
Antwort: Zum einen sind die deutschen Verbraucher traditionell etwas zurückhaltender, wenn es um Online-Einkäufe geht. Zum anderen spielt die Verfügbarkeit der CD eine Rolle - im Gegensatz zu den USA gibt es beispielsweise noch große Verkaufsflächen im Einzelhandel.
Vor einiger Zeit gab es ja die Spekulation, die Musikindustrie wolle die CD schnell sterben lassen...
Antwort: Das wäre der größte Irrsinn überhaupt, wenn wir das wollten. Aber vor allem geht es uns ja nicht darum, einen bestimmten Vertriebsweg voranzubringen, es geht nicht um online oder offline - sondern wir wollen das Produkt Musik über alle möglichen Kanäle verfügbar machen, von Vinyl-Schallplatten bis zur Cloud.
Die Streaming-Dienste sind auf dem Vormarsch - nach verfügbaren Zahlen der Anbieter scheinen sie aber weniger Geld abzuwerfen als das Geschäft mit Tonträgern oder Downloads. Muss die Musikwirtschaft den Gürtel enger schnallen?
Antwort: Wir sind in einem Umgewöhnungsprozess, auch auf Seiten der Industrie. Es geht vielleicht um geringere Beträge - die aber auf einen längeren Zeitraum bei der Nutzung fließen. Und das Potenzial des Streaming-Angebots ist ja noch mitnichten ausgeschöpft, dieser Wandel vom Besitz zur Nutzung steht erst am Anfang. Es geht schließlich auch darum, neue Käuferschichten zu gewinnen, vielleicht auch aus illegalen Gewässern.
Man hörte schon lange nichts mehr von Riesen-Verträgen für Musik-Stars, die bei Bruce Springsteen oder Robbie Williams einst über 100 Millionen Dollar gelegen haben sollen. Sind diese Zeiten endgültig vorbei?
Antwort: Mit den alten Zeiten haben wir in der digitalen Revolution schon vor einer Weile abgeschlossen. Das gesamte Musikgeschäft hat sich aber auch stark verändert: Konzerteinnahmen oder Fanartikel spielen jetzt eine ganz andere Rolle. Wichtig ist doch, dass im Markt immer wieder Newcomer eine Chance haben. Wenn man sich den deutschen Markt und den Trend zu deutscher Musik anschaut, zeigt beispielsweise Cro, dass gerade heute viele Wege zum Ziel führen können.
Man kann derzeit den Eindruck gewinnen, dass die Musikindustrie sich mit der Piraterie im Netz abgefunden hat und sie in Kauf nimmt.
Antwort: Nein, angesichts der Dimension des Problems können wir das nicht akzeptieren. Wir haben auch schon eine Menge dagegen getan - zum Beispiel mit Abmahnungen. Das wird nicht gern gehört, aber die Abmahnungen haben auch zur Stabilisierung des deutschen Marktes beigetragen. Wir haben übrigens nie davon geträumt, dass wir in einer Welt Geschäfte machen können, in der es keine Urheberrechtsverletzungen gibt - aber es waren die massenhaften Rechtsverletzungen, die wir eindämmen wollten. Damit haben wir stellvertretend für andere Branchen eine Zeit lang die Kugeln auf uns gezogen.