„No pixels, bitte“: Viele Deutsche fotografieren noch analog

Berlin (dpa) - Noch immer haben Drogeriemärkte Filme für Fotokameras im Angebot - bloß für wen? Längst nicht alle Fotografen glauben an den Untergang der Technik. Manche sprechen sogar von einem neuen Trend - und der kommt aus Japan.

Ein genauer Blick durch den Sucher. Passt der Bildausschnitt? Der Finger drückt den Auslöser, hörbar spult sich der Film ein Stück weiter. Nach der Belichtung lässt sich das Foto nicht mehr löschen. Analog-Fotografen brauchen vor allem eins: Geduld. Das ist viel verlangt, wo inzwischen jeder Smartphone-Besitzer mit einem Klick ein Bild aufnehmen und es mit einem zweiten seinen Freunden schicken kann.

Aber trotz Digitaltechnik, Apps und gigantischer Speicherkarten gibt es sie immer noch: Hobbyfotografen und Profis, die Filme einlegen und sich vor der Entwicklung der Bilder für „matt“ oder „glänzend“ entscheiden.

Wolfgang Sobeck sitzt in seinem Geschäft im Berliner Stadtteil Kreuzberg und zieht an einer Zigarette. Den Fotoladen hat er vor 32 Jahren eröffnet. In den Vitrinen stehen gebrauchte Kameras, fast ausschließlich analoge. „Der Digitalmarkt ist zu unübersichtlich“, sagt Sobeck. Und da gebrauchte Digitalkameras schnell an Wert verlören, sei er nie richtig in dieses Geschäft eingestiegen.

Das sei auch nicht nötig. „Viele meiner Kunden sind mit digital aufgewachsen und wollen jetzt mal richtig fotografieren“, sagt Sobeck. Im Moment kämen seine jüngeren Kunden oft aus Spanien oder Italien. Der größte Teil derer, die bei ihm Filme abgeben, sei aber älter. „Viele Ältere wollen sich nicht mit digitalen Kameras beschäftigen“, sagt Sobeck. Sie fotografieren einfach mit der analogen Technik weiter.

In einer Allensbach-Umfrage gaben 2012 noch 5,1 Millionen Deutsche über 14 Jahren an, ihre Bilder mit einer analogen Kleinbild-Kamera aufzunehmen. Aber der Abwärtstrend ist eindeutig: Fünf Jahre zuvor waren es noch fast dreimal so viele.

Ist es mit der analogen Fotografie also bald vorbei? Davon geht der Sprecher der Drogieriekette Rossmann, Stephan-Thomas Klose, nicht aus. „Die analoge Fotografie spielt noch immer eine große Rolle.“ Bei Rossmann mache die Entwicklung von Fotofilmen noch die Hälfte der Fotoaufträge und ein Drittel des Umsatzes in der Fotosparte aus. Außerdem sei in den Drogeriemarkt-Filialen von Rohfilmen bis zu analogen Einwegkameras alles zu haben, was Hobbyfotografen für analoge Bilder brauchen.

Der Konkurrent dm schätzt die Situation weit weniger positiv ein. „Filme und Filmentwicklung sind bei dm seit Jahren zweistellig im Minus“, sagt Geschäftsführer Christoph Werner.

Ähnlich kritisch sieht Viviane Meyer die Situation. Das Geschäft „Foto-Meyer“ eröffneten sie und ihr Mann vor 44 Jahren im Berliner Stadtteil Schöneberg. Schon 1995 haben die Meyers die ersten Digitalkameras ins Angebot aufgenommen. „Damals wurden wir von Kodak-Mitarbeitern gefragt, wie wir mit digital überhaupt Geld verdienen wollen“, erinnert sich Viviane Meyer schmunzelnd.

Denn sie behielt Recht. Mitte der 1990er Jahre wurden bei „Foto-Meyer“ täglich noch rund 1000 Filme abgegeben, um die Jahrtausendwende weniger als halb so viele. „Heute sind es noch etwa 40 pro Tag“, sagt Meyer. Die, die noch analog fotografieren, seien zumeist Stammkunden, der größte Teil im Rentenalter.

Glaubt man allerdings Fotogeschäft-Inhaber Wolfgang Stade im Stadtteil Charlottenburg, gibt es keine Krise. Zumindest nicht im Geschäft mit gebrauchten analogen Kameras. Sie füllen in Stades Geschäft Regale bis an die Zimmerdecke.

Früher habe er noch mehr Zeit gehabt, um zu Kamera-Auktionen zu fahren. Zum Beispiel nach Japan. Dort sehe es für die analoge Fotografie besser aus als in Deutschland. Erst im März porträtierte die „Japan Times“ einen Händler, der immer mehr Kunden für gebrauchte analoge Kameras finde - auf niedrigem Niveau, versteht sich.

Stade meint, die Bewegung der Analog-Fotografen sei in Japan sichtbarer als in Deutschland. Dort würden etwa junge Fotografen auf ihren T-Shirts für analoge Kameras werben. „Der neue Massen-Trend in Japan heißt 'no pixels'“, sagt Stade. Er hofft, dass die Welle nach Deutschland überschwappt.