Nokia legt sich beim N9 mächtig ins Zeug
Espoo/Berlin (dpa/tmn) - Großer Touchscreen, Navigation und ein NFC-Chip: Der schwächelnde Handy-Riese Nokia will mit dem neuen Smartphone N9 sein Bestes geben. Das Telefon soll zwar erst im späteren Jahresverlauf auf den Markt kommen, Nokia stellte die Neuerungen aber schon am Dienstag ausführlich vor.
Den wohl größten Sprung macht das N9 bei der Bedienung: Der berührungsempfindliche Bildschirm nimmt praktisch die komplette Oberfläche ein. Tasten wie etwa einen „Home“-Button des iPhone zum Verlassen von Programmen gibt es auf ihr nicht. Man könne zwischen einzelnen Apps per Finger-Bewegungen auf dem Touchscreen wechseln, erklärt Nokia. Dadurch konnte der AMOLED-Bildschirm eine größere Diagonale von 3,8 Zoll (9,9 cm) bekommen.
Punkten will Nokia auch mit der Navigation: Das N9 gibt kostenlos Routenempfehlungen in 90 Ländern. Die Kamera mit einer Auflösung von 8 Megapixeln soll besonders schnell einsetzbar sein und auch HD-Video aufnehmen. Zudem ist das N9 eines der bisher wenigen Smartphones mit einem NFC-Chip. Die Funktechnik soll in Zukunft unter anderem Handys zu Portemonnaies machen, doch davon spricht Nokia bisher nicht. Aktuell sollen über den NFC-Chip zum Beispiel Bilder oder Videos schnell zwischen verschiedenen Geräten verschoben werden. Außerdem soll das Telefon mit Hilfe der Technik schnurlos Musik über ein Nokia-Lautsprechersystem abspielen können.
Schließlich ist das N9 laut Nokia das erste Handy mit spezieller Software des Sound-Spezialisten Dolby, die Mehrkanalton auch in herkömmlichen Ohrhörern imitieren könne. Das Gehäuse aus Polycarbonat gibt es in den drei Farben Schwarz, Blau und Magenta. Das Polycarbonat-Gehäuse ermögliche ein stärkeres Funksignal, betonte Nokia - ein Seitenhieb gegen den Rivalen Apple, dem Berichte über Empfangsprobleme bei seinem iPhone 4 zu schaffen machten.
Ein Kern-Merkmal des N9 stimmt Branchenbeobachter jedoch skeptisch: Es ist das erste Handy mit dem Betriebssystem MeeGo. Nokia hatte MeeGo zusammen mit dem Chip-Branchenführer Intel Anfang 2010 auf den Weg gebracht. Ein Jahr später beschloss der Konzern jedoch, dass die Entwicklung der Software zu lange dauern werde und Apples iPhone sowie Telefone mit dem Google-Betriebssystem Android sich in dieser Zeit große Teile des Marktes sichern könnten. Deshalb setzt Nokia jetzt vor allem auf Microsofts Windows Phone als sein nächstes Smartphone-Betriebssystem.
Experten wie Gartner-Analystin Carolina Milanesi warnen, dass ein Mangel an verfügbaren Apps den Erfolg des N9 in Grenzen halten dürfte. Nokia will das Problem mit dem plattformübergreifenden Software-Baukasten Qt abfedern. Mit Qt erstellte Apps für Nokias bisheriges Smartphone-Betriebssystem Symbian sind einfach für MeeGo anzupassen.
Einen genauen Startermin oder einen Preis gibt es für das N9 bisher nicht. Noch vor dem N9 will Nokia mit der C2-Baureihe auch Käufer einfacher Telefone wieder für sich gewinnen. Die drei C2-Modelle sollen ab etwa 75 Euro im dritten Quartal auf den Markt kommen. Sie sind internetfähig und haben ebenfalls integrierte Navigationsanwendungen sowie UKW-Radioempfang und Multimedia-Player. Nokia konnte auch inmitten der Probleme im Smartphone-Markt lange auf seine Stärke bei einfachen Telefonen bauen, geriet zuletzt aber auch hier durch Wettbewerber wie Samsung unter Druck.