Nokia und Microsoft greifen Smartphone-Markt an
Berlin (dpa) - Nokia und Microsoft starten am Dienstag mit dem neuen Lumia 800 ihre Aufholjagd im Smartphone-Markt. Mit der dpa sprachen die für Nordeuropa zuständige Nokia-Managerin Hanna Sievinen und Microsoft-Deutschlandchef Ralph Haupter über die Erwartungen für ihr erstes gemeinsames Telefon.
Nokia verliert Marktanteile bei Smartphones, das Betriebssystem Windows Phone hat ein Jahr nach dem Start gerade einmal zwei Prozent Marktanteil - warum sollte sich das mit dem Start eines Telefons ändern? Sievinen: „Wir denken, dass es eine dieser Partnerschaften ist, von der beide Partner profitieren, weil sie sich ergänzen.
Wir bei Nokia haben uns auch andere mögliche Allianzen angesehen, aber Microsoft hatte das beste Smartphone-Betriebssystem im Angebot. Wir sind richtig gut darin, Geräte zu bauen. Und wir sind sehr gut bei Ortungsdiensten, Karten und Navigation. Wir haben in einigen westlichen Märkten Rückschläge einstecken müssen - aber die Marke Nokia ist immer noch stark, wir haben enge Beziehungen zu Mobilfunk-Unternehmen und wir können Massen an Geräten produzieren.“
Haupter: „Der Smartphone-Absatz wächst schnell - zuletzt um 40 Prozent - und es ist jetzt ein guter Zeitpunkt, mit einem neuen Gerät in den Markt zu gehen. Als wir vor einem Jahr Windows Phone 7 starteten, wussten wir, dass wir ein starkes Produkt hatten, aber uns fehlten noch einige Funktionen.
In Windows Phone 7.5 haben wir rund 500 Merkmale hinzugefügt. Sprachsteuerung, Browser-Integration: Wir haben Funktionen, die die Innovation im Smartphone-Geschäft vorantreiben. Und Nokia ist unglaublich stark, was Hardware und Logistik angeht. Wer sonst hätte so ein Gerät in acht Monaten fertigstellen können? Das alles überzeugt uns, dass wir bereit sind, den Markt zu verändern.“
Wenn Sie in einem Markt wie Deutschland, wo viele schon ein Smartphone haben, erfolgreich sein wollen, müssen Sie dann auch heutige Nutzer von Apples iPhone oder Android-Telefonen überzeugen?
Sievinen: „Es ist absolut fair zu sagen, dass es für uns zuletzt in Schwellenländern besser lief als etwa in Westeuropa. Es ist aber auch beeindrucken, wie stark der Smartphone-Markt immer noch wächst. Und Deutschland sprang auf den Smartphone-Zug sogar noch etwas später auf als etwa Großbritannien.
Aber auf jeden Fall werden wir uns nicht damit zufriedengeben, nur Nutzer bisheriger Nokia-Smartphones oder einfacher Telefone zu gewinnen. Es ist absolut klar, dass wir mit dem Nokia Lumia 800 auch heutige Nutzer von Android und auch iPhone im Visier haben. Daran gibt es keinen Zweifel.“
Haupter: „Wir sind bereit zum Angriff. Es ist nicht in Stein gemeißelt, dass jemand ein iPhone oder ein Android-Gerät nutzt. Viele Android-Nutzer müssen eh bald ihr Gerät wechseln, weil ihre Smartphones nicht die aktuellste Version des Betriebssystems bekommen. Die Apps sind aus unserer Sicht wichtig, aber ein starker Internet-Browser und HTML5 gewinnen an Bedeutung.“
Könnte die enge Allianz mit Nokia nicht aber zugleich das Verhältnis zwische Microsoft und anderen Herstellern von Smartphones mit Windows Phone belasten?
Haupter: „Unser Partner-Ökosystem bei Windows Phone wächst kontinuierlich und wir sind auch sehr transparent, was unsere Zusammenarbeit mit Nokia angeht. Nokia bringt soviel wie kein anderer Partner in die Plattform ein. Zum Beispiel die großartigen Navigationsdienste.“
Microsoft dominiert mit Windows die PCs in Unternehmen. Das Lumia 800 ist dagegen ganz klar auf Verbraucher ausgerichtet. Verspielen Sie da nicht eine Chance?
Sievinen: „Es ist erst sechs Monate her, dass wir das Partnerschaftsabkommen unterzeichnet haben. Mit dem Lumia 800 wollen wir den Verbrauchermarkt ansprechen - auch wenn ich überzeugt bin, dass es sich auch in Unternehmen durchsetzen kann. Aber es werden weitere Geräte kommen. Wir haben noch weitere Pläne, was das Unternehmensgeschäft angeht.“
Microsoft und Nokia haben auch konkurrierende Dienste im Angebot, zum Beispiel im Musik-Bereich. Wie schwierig war es, da die Interessen auszubalancieren?
Haupter: „Wir haben hier zwei erwachsene Partner. Und es ist offensichtlich, dass sich unsere Angebote in den meisten Bereichen ergänzen. Ich habe keine Konflikte erlebt. Wir beide wollen dem Nutzer auf unseren Telefonen das bestmögliche Erlebnis bieten.“
Sievinen: „Beiden Unternehmen war bewusst, dass wir dem Verbraucher etwas sehr attraktives bieten müssen, um Erfolg zu haben. Und das würden wir nicht mit Diskussion über strategische Interessen kaputtmachen. Manche Sachen macht Microsoft besser, andere Nokia. Es war von Anfang an klar: In das Telefon kommt das bessere Angebot.“
Haben sie eine konkrete Vorstellung, wie hoch der Marktanteil in einem Jahr zum Beispiel in Deutschland sein soll?
Sievinen: „Ja. Eine Zahl nennen werde ich nicht, aber lassen sie uns sagen, sie ist durchaus ambitioniert.“
Angenommen, diese Vorgabe wird in einem Jahr nicht erreicht - wie lange werden Sie Geduld haben, wenn es nicht so läuft wie geplant?
Sievinen: „Kein großer Wandel geschieht über Nacht, Veränderungen brauchen Zeit. Zugleich wissen wir aber auch, dass sich dieser Markt sehr schnell verändern kann. Wir haben jetzt ein Zeitfenster, in dem vieles möglich ist. Und uns ist sehr bewusst, dass dieses Fenster nicht für immer offen bleibt und wir diese Chance weise nutzen müssen. Wir setzt jetzt alles daran, einen erfolgreichen Produktstart zu haben. Wir sind zuversichtlich, dass wir mit den neuen Geräten sowie mit denen, die wir noch in der Pipeline haben, groß ins Geschäft zurückkehren können. Ich denke, dass wir in den nächsten 18 Monaten zeigen werden, dass wir gemeinsam ein starkes Ökosystem aufbauen können.“