Nur Mut: Technik muss kein Senioren-Schreck sein

Berlin (dpa/tmn) - „Das brauche ich doch gar nicht!“ ist eine häufige Reaktion von Älteren, wenn es um Technik geht. Doch wenn Senioren Geräte einmal begriffen haben, sind sie enthusiastische Nutzer, sagen Experten.

Das Wort klingt schauerlich, erklärt aber einiges: Amortisierungsbarriere. Eine Mauer im Kopf, an der steht: „Es muss sich lohnen“. Und die ist gerade bei Älteren erstaunlich hoch, wenn es um neue Geräte geht, hat Hendrik Wilmanns von der Beratungsfirma SirValUse festgestellt. „Sie wollen ein Gerät voll ausnutzen“, fasst der Usability-Experte seine Erfahrungen aus Senioren-Studien zusammen. Sie fragen sich, warum sie sich etwas Neues kaufen sollen, wenn sie noch nicht einmal alle Funktionen des alten Gerätes nutzen.

Dass Senioren bei Technik eher zurückhaltend sind, Anschaffungen oft immer wieder abwägen und aufschieben, ist nicht zuletzt ein Fehler der Hersteller und eines von Features getriebenen Marketings, glaubt Wilmanns. „Weil die Materie kompliziert vorgestellt wird, beschäftigen sich Ältere oft erst gar nicht damit“, sagt der Experte. „Argumente wie zwölf Megapixel oder 20 000 Apps im App-Store sind sehr abschreckend.“ Das erinnere Ältere daran, was sie vermeintlich alles lernen und nutzen müssen. „Es wäre wichtiger zu vermitteln, dass sie nicht alle Funktionen nutzen müssen, um glücklich zu sein.“

Das Blatt wendet sich aber, sobald Ältere den für sie zusätzlichen Nutzen eines Gerätes erkennen - zum Beispiel GPS im Smartphone, das den eigenen Standort auf einer Karte anzeigt. „Wenn ihnen jemand zeigt, welchen Knopf sie drücken müssen, sind sie fast euphorisch“, sagt Wilmanns. Den größten Nutzengewinn bei Smartphones sähen Ältere im Adressbuch, dem Kalender und dem Abrufen von Infos wie Fahrplänen.

„Man kann nicht sagen, Senioren mögen keine Technik“, meint die Wirtschaftswissenschaftlerin Nicola Bilstein von der Katholischen Universität Eichstätt. „Zusätzlich wahrgenommener Nutzen erhöht die Bereitschaft, Technik zu nutzen“, erklärt Bilstein, die im Rahmen des vom Bundesbildungsministerium geförderten MIDIS-Projekts die technischen Bedürfnisse Älterer erforscht.

Gleichzeitig herrsche aber Unsicherheit. „Menschen sind unterschiedlich in Hinblick auf Technikaffinität“, sagt die Forscherin. Bei Älteren komme immer wieder die Angst durch, etwas kaputt zu machen. Komplizierte Geräte verstärken dieses Phänomen noch. „Manches ist overengineered“, sagt die Expertin.

Der Mehrwert von Smartphones scheint trotzdem immer mehr Ältere zu überzeugen. Einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte zufolge hat sich unter den 65- bis 75-Jährigen die Zahl der Smartphone-Nutzer zwischen 2010 und 2011 mehr als verdoppelt - von 6 auf 13 Prozent.

Ein Problemfeld bleiben Touchscreens. Auf der einen Seite sind sie prinzipiell einfacher zu bedienen als kleine Tasten. Beim Druckpunkt muss aber umgelernt werden, hat Wilmanns beobachtet. „Die Tendenz, viel zu stark zu drücken, war schwer rauszubekommen.“ Damit gehen natürlich Fehler wie doppelte Buchstaben oder ungewollte Befehle einher. „Das muss man erklären, nicht einmal, sondern mehrfach.“

Die eierlegende Wollmilchsau ist eher nichts für Senioren. Sie nutzen zum Beispiel lieber eine Kamera und nicht die Fotofunktion des Handys. „Zwei Produkte, die sie kennen, sind besser“, hat Bilstein festgestellt.

„Was eine zentrale Funktion hat, ist sehr sehr gut“, beschreibt auch Wilmanns die Wahrnehmung Älterer. Mit Navigationsgeräten kämen viele beispielsweise ganz gut zurecht. „Da haben wir nie so ganz gravierende Probleme in den Tests“, sagt der Usability-Experte.

Auch der Nutzen eines Flachbildfernsehers erschließt sich Älteren relativ leicht, sagt Forscherin Bilstein. Eine Seniorin habe zum Beispiel in einem Interview erfreut berichtet, dass man das neue Gerät leichter verschieben und tragen und darunter putzen kann. Neben der Benutzerfreundlichkeit legen Senioren vor allem Wert auf Verlässlichkeit, wollen Dinge erst einmal ausprobieren, um sicher zu sein, dass die Technik nicht versagt, wie Bilstein erläutert. Ein hoher Preis senke die Bereitschaft, sich mit neuer Technik zu beschäftigen.

Beim Musikhören bleiben Ältere gern auf bekannten Pfaden, also meist bei Radio oder CDs. „Es ist in der Generation 55plus recht unwahrscheinlich, dass ein Systemwechsel vollzogen wird“, sagt Wilmanns. Musik von der Festplatte oder aus dem Internet schreckt viele eher ab. „Jeder hat ein oder zwei Bekannte, die so etwas beherrschen, die sich das erarbeitet haben“, sagt Wilmanns. Doch die würden schnell als unerreichbare Vorbilder gelten.

Deshalb muss jemand die Älteren überzeugen, erklären, wie ein Gerät den Alltag erleichtern könnte. „Die Familie ist ein wichtiger Einfluss“, sagt Wilmanns. „Man fragt den Partner, die Kinder oder Enkel oder möchte etwas, was man bei jemandem gesehen hat.“

Idealerweise fungieren die auch hinterher als Ansprechpartner - zusätzlich zum hoffentlich guten Hersteller-Support. „Es gibt eine Angst vor Knöpfen und Unterebenen in Menüs“, sagt Bilstein. Oft sind Bezeichnungen auf Englisch, manchmal auch die Bedienungsanleitungen. „Das wird als Hemmnis wahrgenommen.“