VR-Brille ausprobiert Oculus Go im Test: Virtuelle Welt auf neuem Niveau
Berlin (dpa/tmn) - Mit Oculus Go verliert die virtuelle Realität ihr größtes Hindernis. Die VR-Brille benötigt weder PC noch Smartphone. Sie kommt alleine klar.
Große VR-Brillen wie HTC Vive oder Oculus Rift brauchen leistungsstarke Computer und hängen am Kabel. Preiswertere Modelle wie die Samsung Gear VR, Google Daydream oder das VR-Headset von Lenovo brauchen ein teures Smartphone als Display. Doch die Oculus Go kommt alleine zurecht.
Nur ganz zu Beginn überträgt man über die Smartphone-App kurz die Daten der WLAN-Verbindung und verbindet das Gerät mit einem Oculus-Konto bei Facebook. So gelangen später Apps, Videos, Fotos und andere Inhalte auf die Brille. Brillenträger können die Oculus Go mit einem kleinen Gummiring brillentauglich machen. So stoßen die Gläser der Sehhilfe nicht an die Linsen der VR-Brille.
Im Inneren der Oculus Go werkelt ein Snapdragon 821, ein Prozessor, den man sonst in Smartphones findet. In der Brille kann er sich ganz auf die virtuelle Realität konzentrieren. Als Bildschirm verwendet die Facebook-Tochter ein LCD mit schnellen Schaltzeiten (72 Hz statt 60 Hz) und WQHD-Auflösung (2560 mal 1440 Pixel).
Für eine gefühlt bessere Bildqualität greift Oculus zu einem Trick, der unter dem Fachbegriff „Fixed Foveated Rendering“ bekannt ist. Dabei werden Inhalte in der Mitte des Bildes mit einer hohen Auflösung von 1280 mal 1280 Pixeln gerendert, zu den Rändern reicht ein Viertel oder gar ein Sechstel dieser Auflösung. Wenn man bewusst an den Rand des Bildes schielt, bemerkt man schon, dass das Bild dort nicht mehr so knackig scharf erscheint. Doch insgesamt überzeugt die Bildqualität - auch wegen der guten Linsen.
Allerdings unterstützt die Oculus Go nur drei „Freiheitsgrade“ (3DoF). Das heißt, das Headset registriert nur Kopfbewegungen (Drehen und Neigen), aber nicht die Position der Träger im Raum, wie das VR-Brillen wie HTC Vive, Oculus Rift, Playstation VR oder die Mixed-Reality-Geräte für Windows tun (6DoF). Auch der Handcontroller erkennt Bewegungen, kennt aber nicht seine Position im Raum.
Die Oculus Go kann ohne Kopfhörer genutzt werden. Der Ton gelangt dabei über einen Kunststoffkanal in der Kopfbandhalterung ans Ohr der Träger. Das funktioniert überraschend gut, und die Umgebung bekommt davon nicht viel mit. Wer es richtig laut haben möchte, nutzt die ebenfalls vorhandene Klinkenbuchse mit eigenen Kopfhörern.
Für die Oculus Go steht von Beginn an mit über 1000 Apps ein großes Software-Angebot zu Verfügung. Das Gerät kann nämlich auch Titel abspielen, die für Samsungs Gear VR entwickelt wurden. Dazu gehören die Brettspiel-Umsetzung „Catan VR“, rasante Achterbahnfahrten mit „Coaster Combat“ oder in 360 Grad gefilmte Konzerte internationaler Künstler mit MelodyVR. Mit Oculus Rooms gibt es auch eine virtuelle Welt, in der man ähnlich wie im Klassiker Second Life zusammen chatten oder gemeinsam Filme anschauen kann.
Oculus positioniert die Go aber ganz bewusst nicht allein als Gerät für typische VR-Spiele. Die Brille soll auch Fernseher-Ersatz zum Serienschauen sein. 2,5 Stunden Batterielaufzeit gibt es zum Videoschauen, bei Spielen macht der Akku etwas früher schlapp. Die Go eignet sich aber nicht nur als Ersatz-Fernseher, sondern könnte sich zum Foto-Album der nächsten Generation entwickeln - wenn Urlaubsbilder künftig mit 360-Grad-Kameras geschossen werden.
Die Oculus Go hat durchaus die große Bühne verdient. Die neue VR-Brille aus dem Facebook-Konzern ist so einfach wie nie einzurichten, kommt ohne teuren PC oder eingelegtes Smartphone aus und kann bei der Bildqualität in weiten Teilen mit den großen VR-Headsets mithalten. Die Oculus Go kostet mit 32 Gigabyte Speicher 219 Euro, die größere 64-GB-Version 269 Euro. Sie wird in 23 Ländern, darunter auch Deutschland, über die Website von Oculus vertrieben. In den stationären Handel soll die VR-Brille später im Sommer gelangen.