Online am Kudamm: Berlin will kostenloses Internet
Berlin (dpa) - Das Erinnerungsfoto vom Brandenburger Tor auf Facebook posten, am Kudamm auf den Online-Stadtplan schauen - dafür sollen Berliner und Touristen bald dauerhaft nichts mehr zahlen.
Die Hauptstadt-Regierung will ein kostenloses, freies WLAN einrichten - am liebsten in der gesamten Innenstadt, mindestens aber an den wichtigsten Touristen-Magneten. Die Idee ist nicht neu. Jetzt aber könnte durch Netzbetreiber und freie Initiativen endlich frischer Wind in die Sache kommen.
Bislang gleichen die unterschiedlichen Vorstöße für freies Surfen einem Flickenteppich: Wer in der hippen Kastanienallee im Prenzlauer Berg sein Handy nach freiem WLAN suchen lässt, findet Kabel Deutschland. Surfen darf er für 30 Minuten. Das Netz funktioniert auch am Hackeschen Markt in Mitte und rund 40 weiteren Hotspots, nicht aber unter dem Brandenburger Tor oder vor dem KaDeWe auf dem Kurfürstendamm im alten Westen.
Der Berliner Stadtmöblierer Wall AG schenkte der Hauptstadt einen Sommer lang freies WLAN an 30 zentralen Standorten. Inzwischen ist das wieder offline.
Auch der rot-schwarze Senat hat das WLAN-Projekt in dieser Legislaturperiode wieder entdeckt. An viel besuchten Orten soll das Netz schon im kommenden Jahr stehen. Geld ausgeben will Berlin dafür nicht und setzt stattdessen auf private Unternehmen. Den Traum vom stadtweiten kostenlosen Internet lässt Senatskanzlei-Chef Björn Böhning aber gleich platzen: Geht nicht. WLAN-Router senden nur schwache Wellen aus, die Wände kaum durchdringen. Man bräuchte zu viele dieser Geräte.
Flächendeckendes WLAN, das hat noch keine deutsche Stadt geschafft. Am engsten dran kommt wohl Aachen mit dem „Öcher Netz“. Den Betreibern zufolge ist es eines der dichtesten und größten WLAN-Netzwerke weltweit. Trotzdem decken die mehr als 3000 Hotspots nicht ganz Aachen ab. Kostenlos sind zudem nur ausgewählte Internet-Angebote, ansonsten kostet ein Tagesticket vier Euro.
Auch in Weimar können Touristen vielerorts kostenlos surfen - dank der Freifunker-Initiative. Die WLAN-Enthusiasten haben ihre eigenen Netze im Wohnzimmer geöffnet und so verstärkt, dass sie bis auf die Straßen reichen, erklärt Freifunker Jürgen Neumann.
Auch für Berlin hat die Initiative längst ein Konzept entwickelt. „Nur über private Haushalte kann es eine flächendeckende Versorgung geben“, ist Neumann überzeugt. „Für ein Unternehmen rechnet es sich wirtschaftlich nie, die Fläche innerhalb des S-Bahnrings zu erschließen.“ Weltweit gebe es kein Beispiel, wo das funktioniere. Auf dem Rathaus Kreuzberg haben die Freifunker zum Jahreswechsel zeitlich unbeschränkt freies WLAN installiert. Die Router haben durch Richtantennen eine Reichweite bis zu zehn Kilometer und verbinden sich über den Dächern von Berlin mit anderen Netzen.
Doch brauchen Berliner und Touristen in Zeiten von Datenflatrates und LTE überhaupt flächendeckendes WLAN? Die Wall AG zählte im Sommer täglich nur 600 Nutzer in ihrem Netz, mindestens die Hälfte Touristen aus dem Ausland. Fast alle surfen mit dem Handy, kaum einer nutzt den Laptop. Das Internet zu Hause könne ein Stadt-Netz auch keinesfalls ersetzen, betont Neumann. Dafür sei die Bandbreite viel zu schlecht. Und die Wohngegenden der ärmeren Berliner, die so vielleicht erstmals Internet bekommen könnten, würden kaum abgedeckt.
Auch rechtliche Probleme stehen dem WLAN-Traum noch im Weg. Derzeit müssen Cafés oder Privatleute für möglicherweise illegale Downloads ihrer Mitsurfer haften. Die Freifunker umgehen das Problem, indem sie ihre Daten verschlüsselt über Schweden lenken. Berlin hat im Bundesrat eine Gesetzesinitiative angestoßen, die WLAN-Betreiber aus der Schusslinie nehmen soll. Doch was haben eigentlich die privaten Investoren davon, kostenfrei WLAN anzubieten? Sie könnten Werbung machen, meint Böhning. Oder, so warnen die Freifunker, ähnlich wie das Soziale Netzwerk Facebook an den Daten der Nutzer verdienen.