Online-Heiratsschwindel - Vor allem Ältere im Netz gefährdet

Berlin (dpa) - Mit gefälschten Profilen lauern sie auf Facebook oder in Partnerbörsen: Kriminelle täuschen arglosen Nutzern im Internet erst die große Liebe vor, dann eine finanzielle Notlage. In die Falle tappen oft ältere Menschen, sagen Experten.

Der Kontakt zu dem Witwer aus London entstand aus dem Nichts. Der Unbekannte schrieb der Hamburger Rentnerin eine charmante Nachricht auf Facebook - sie antwortete, um ihr Englisch zu verbessern. Etliche Nachrichten und Telefonate mit „George“ über das Internet folgten. Innerhalb von nur sechs Wochen verliebte sich die 64-Jährige, die ihren Namen lieber nirgends lesen möchte. „Dabei war ich nicht einmal auf Partnersuche“, sagt sie. „Am Ende habe ich mich schon als Ersatzmutter seiner Kinder gesehen.“

Doch es kam anders: Als der vermeintliche Traummann 6000 Dollar für eine Erbschaftsabwicklung forderte, wurde die 64-Jährige hellhörig. Ihr Sohn hatte sie vor Betrügern gewarnt. „Ich selbst hätte vorher nie geahnt, dass es so etwas gibt“, sagt sie. Sie brach den Kontakt ab, wurde danach aber noch lange von „George“ unter Druck gesetzt. Und auch wenn sie finanziell nicht geschädigt wurde: Der emotionale Betrug schmerzt noch heute, ein Jahr danach.

„Romance Scamming“ („Scam“, engl. Betrug) nennen Fachleute diese Masche. 8000 Fälle ereignen sich nach Schätzungen deutscher Partnerbörsen jährlich in Deutschland, weltweit soll sich der Schaden auf 750 Millionen Dollar belaufen. Die Dunkelziffer gilt als hoch. Viele Opfer schämen sich. Eine offizielle Statistik über „Romance Scamming“ gibt es nicht.

Doch Ermittler wie Carsten Szymanski, Kriminaloberrat am Berliner LKA und zuständig für Cybercrime, beobachten, dass das zielgerichtete Täuschen beim Internet-Betrug einen immer größeren Raum einnimmt. Der Berliner Rechtsanwalt Thomas Meier hat bereits seit einigen Jahren Mandanten, die auf diese Weise geprellt wurden. „Aber ich habe den Eindruck, dass in letzter Zeit vermehrt ältere Menschen betroffen sind, die das Internet erst jetzt für sich entdecken“, sagt er.

Täter beschreiben sich im Netz als christlich und kinderlieb, sie geben vor, in renommierten Berufen wie der Wissenschaft zu arbeiten. Darüber hinaus ist wenig bekannt. Ermittlungen würden dadurch erschwert, dass sie häufig im Ausland agierten und anonyme Online-Telefonnummern nutzten, sagt Szymanski. Er rät Nutzern zu Skepsis: „Vor Betrugsversuchen gibt es keinen absoluten Schutz, auch nicht auf kostenpflichten Portalen“. Da sich dort ein finanzkräftigeres Publikum bewege, sei der Anreiz für Kriminelle erst recht gegeben.

Bei Online-Partnerbörsen ist die Gefahr bekannt. Häufig bäten Betrüger ihre Opfer um die private E-Mail-Adresse, um die Sicherheitssysteme der Plattformen zu umgehen, sagt ein Sprecher des Portals neu.de. Seiner Erfahrung nach seien die Täter in Teams organisiert und operierten häufig von Afrika aus. Wie auch Giuliano Iannotta von der Seite eDarling.de bestätigt, entdecken die Systeme Hunderte Betrugsversuche pro Monat - automatisch fallen etwa bestimmte ausländische IP-Adressen auf. Auch idealisierte, aber in mangelhaftem Deutsch verfasste Profile würden genauestens geprüft.

Warum Opfer tatsächlich Geld überweisen? Die Psychologin Wiebke Neberich vergleicht das Vorgehen der Betrüger mit „emotionaler Erpressung“. Opfer würden von Beginn an in die starke, fürsorgliche Rolle der Beziehung gedrängt, zum Beispiel durch Liebesschwüre. Neberich rät, Unbekannten niemals persönliche Daten zu übermitteln. Stattdessen solle man Angaben anderer kritisch hinterfragen, etwa mit Hilfe von Suchmaschinen. Das hat auch die Hamburger Rentnerin getan - im Nachhinein. Auf die Spur gekommen ist sie „George“ bis heute nicht.