Rocket Internet: Mit Rückenwind an die Börse
Frankfurt/Main (dpa) - Hemdsärmelig präsentieren sich Oliver Samwer und seine Mitstreiter der Presse - doch die Anspannung ist den Managern der Berliner Startup-Schmiede Rocket Internet ins Gesicht geschrieben.
Kein Wunder, denn Mitgründer und Chef Samwer hat große Ziele: „Rocket möchte das Alibaba der Non-China-, Non-US-Länder werden.“ Im Klartext: Die Berliner wollen außerhalb von China und den USA die führende Adresse werden, wenn es um Geschäfte im Internet geht - vom neuen Kleid über die Pizza bis zur Taxifahrt. Davon will das Unternehmen in den nächsten Tagen Investoren weltweit überzeugen, für den 9. Oktober ist der Gang aufs Frankfurter Börsenparkett geplant.
Das Geschäft von Rocket Internet ist es, junge Online-Firmen hochzuziehen. „Die beste Zeit von Rocket kommt noch“, schwärmt Samwer. „Wir haben gerade maximal die Spitze des Eisberges erreicht.“ Das können Investoren auch nur hoffen - denn zuletzt haben bei dem 2007 gegründeten Unternehmen höchstens Beteiligungsverkäufe für schwarze Zahlen gesorgt. So wurde etwa im vergangenen Jahr ein Anteil am Online-Modehändler Zalando verkauft. Seinen Zöglingen gibt Rocket sechs bis neun Jahre, um Gewinne zu erwirtschaften. Im vergangenen Jahr steckten selbst die 20 erfolgreichsten Rocket-Firmen noch allesamt in den roten Zahlen.
Mit Zahlenreihen und rasanten Wachstumsraten will das Management dennoch belegen, dass das Rocket-Geschäftsmodell bereits funktioniert: Unternehmensgründungen quasi von der Stange. Aktuell sind unter dem Rocket-Dach mehr als 50 Firmen in verschiedenen Weltregionen aktiv. Samwer rechnet vor: Der ursprüngliche Einsatz von 169 Millionen Euro sei seit 2007 um das 25-fache in die Höhe geschnellt, auf einen Wert von 4,2 Milliarden Euro. „Unser Geschäftsmodell erlaubt extraordinary returns“, betont der jugendlich wirkende Vorstandschef in einer für die Branche typischen Mischung aus Deutsch und Englisch.
„Ich bin jetzt fast 20 Jahre im Internetgeschäft“, erinnert der 42-jährige Samwer. Das Smartphone habe die Internetnutzung seit 2007 auch in Schwellenländern beschleunigt. Weil die Bevölkerung etwa in Indien, Mexiko und Brasilien im Schnitt jünger sei als in Europa, seien die Menschen dort wesentlich technologieaffiner. Treiber für den Onlinehandel sei zudem die Tatsache, dass es dort deutlich weniger traditionelle Läden gebe: „Wenn ein Land wenig Läden hat, wird E-Commerce nicht zu einem Nice-To-Have-Product wie in Deutschland, sondern zu einem Must-Have-Product“, sagt Samwer.
Rocket Internet profitiert davon, dass es bereits funktionierende Online-Plattformen wie Amazon, Zappos oder LendingClub gibt. Unter anderem Namen kommen die bewährten Geschäftsmodelle zum Beispiel in Nigeria wieder auf den Markt. Das Ziel: Standardisierung. „Wir versuchen, alles in der Welt einmal zu lernen“, erklärt Samwer. „Wir haben eine Plattform geschaffen, die eines schafft: Die Wiederholbarkeit von Erfolg.“ Mindestens zehn neue Unternehmen pro Jahr will Rocket an den Start bringen - dabei soll das frische Geld aus dem Börsengang helfen.
Der Börsenstart kommt zu einem günstigen Zeitpunkt: Besonders in Deutschland suchen Investoren nach lukrativen Anlagemöglichkeiten. Internetaktien sind gefragt: Die chinesische Handelsplattform Alibaba schaffte an der New Yorker Börse in der vergangenen Woche den bisher größten Börsengang. Die Papiere waren so begehrt, dass Alibaba kurz vor Zuteilung den Preis noch anhob. Auch die Samwer-Beteiligung Zalando wagt zum 1. Oktober den Börsengang.
Der Rocket-Start am Aktienmarkt könnte nach Samwers Einschätzung Signalwirkung haben: „Wir hoffen, dass der Börsengang auch als Katalysator dient für den gesamten Technologiesektor in Deutschland, für die Motivation von Gründern und vielleicht für den gesamten Standort.“