Schwere Geschütze im Kampf um Auslieferung von Assange
London (dpa) - Redeschlacht im Justizpalast: Wikileaks-Gründer Julian Assange hat am Dienstag im Kampf gegen seine Auslieferung von Großbritannien nach Schweden erneut schweres Geschütz aufgefahren.
Statt nach Schweden zu fahren, fordert er jetzt die schwedische Staatsanwältin Marianne Ny auf, nach London zu kommen. „Mein Anwalt und meine Zeugen mussten auch nach London kommen“, argumentierte er nach dem zweiten Verhandlungstag in seinem Auslieferungsverfahren. Die Anhörung wird an diesem Freitag fortgesetzt.
Assange warf der schwedischen Justiz vor, parteiisch zu sein. „Was wir heute gesehen haben, ist ein Rechtsmissbrauch nach dem anderen, Stunden über Stunden“, sagte Assange. Aber auch die Gegenseite legte nach. Assange sei im Sommer vergangenen Jahres nach Bekanntwerden der Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn förmlich aus Schweden geflohen, er sei nicht einmal von seinem Anwalt zu erreichen gewesen. Im Gerichtssaal entwickelten sich teils hitzige Kreuzverhöre. Assange-Anwalt Björn Hurtig warf der schwedischen Justiz vor, entlastende SMS-Nachrichten zurückzuhalten.
„Bei Herrn Assange besteht ganz offensichtlich Fluchtgefahr und es kann nicht als Überreaktion betrachtet werden, ihn festzusetzen“, sagte Clare Montgomery, die als britische Staatsanwältin die Interessen der schwedischen Justiz in dem Auslieferungsverfahren vertritt. Ein früherer schwedischer Oberstaatsanwalt, Sven-Erik Alhem, sagte: „Ich hätte ihn festgenommen, als er in Schweden war.“ Da Assange aber inzwischen nach Großbritannien gereist war, hätte statt eines EU-weiten Haftbefehls zunächst ein Verhör etwa per Videoschaltung versucht werden sollen.
Die Göteborger Staatsanwältin Marianne Ny wirft Assange vor, im August in Stockholm zwei Frauen sexuell belästigt und eine von ihnen vergewaltigt zu haben. Dabei geht es konkret um die Frage, ob Assange gegen den Willen der Frauen und mit Gewalt durchgesetzt hat, dass der grundsätzlich einvernehmliche Sex ungeschützt erfolgte. Das Assange-Lager wirft der Staatsanwältin ihrerseits vor, nicht unvoreingenommen zu sein. Sie habe ein gestörtes Verhältnis zu Männern und „ihre Ausgewogenheit verloren“, sagte eine andere schwedische Juristin bereits am Montag.
Eine Entscheidung des Gerichtes über die Auslieferung kann frühestens am Freitag fallen. Unabhängig vom Ausgang wird ohnehin damit gerechnet, dass die unterlegene Seite Berufung einlegt, so dass sich die endgültige Entscheidung noch Wochen oder sogar Monate hinziehen könnte.
Assange wird in dem Prozess von einem ganzen Stab von Anwälten aus Großbritannien, Australien und Schweden vertreten. Sein schwedischer Anwalt Björn Hurtig legte dem Gericht am Dienstag eine schriftliche Stellungnahme vor. Er habe in seiner juristischen Karriere noch kaum einen Vorwurf erlebt, der auf schwächeren Füßen stehe, heißt es darin. Es sei augenscheinlich, dass die beiden Frauen, die sich als Opfer von Assange ausgäben, etwas im Schilde geführt hätten.
Die von der Assange-Verteidigung vorgebrachte Befürchtung, ihr Mandant könnte im Falle einer Auslieferung nach Schweden später in die USA weitergeschoben werden, wo ihm Straflager und Todesstrafe drohten, hielt am Dienstag selbst der schwedische Ex-Staatsanwalt Alhem - von der Verteidigung aufgeboten - für überzogen. „So weit ich es verstehe, gibt es dieses Risiko nicht. Aber es gibt Bedenken, die mir nicht bewusst sind und die ich nicht kommentieren kann“, sagte er.
Ob der harschen Angriffe auf die schwedische Justiz schaltete sich auch Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt ein. „Wir haben ein unabhängiges Rechtssystem, das auch in diesem Fall im Einklang mit schwedischem Recht gehandelt hat“, sagte er. Die beiden Frauen hätten Rechte und es müsse untersucht werden, ob diese verletzt worden seien.
Die Strategie der Verteidigung von Assange zielt vor allem auf die Tatsache, dass es in Schweden bisher keine Anklage gegen Assange, sondern nur ein Ermittlungsverfahren gibt. Eine Auslieferung nur zum Zwecke einer Beschuldigtenvernehmung sei nicht verhältnismäßig, lautet das Argument. Stattdessen könne das Verhör auch in Großbritannien, etwa in der schwedischen Botschaft oder per Videoschaltung, stattfinden.