Segen und Fluch der Internetprominenz

New York (dpa) - Der Traum vom schnellen Ruhm lebt heute im Internet. Seit Justin Bieber den Sprung vom kleinen Jungen im YouTube-Video zum Star mit Millionenverkäufen schaffte, tummeln sich im Netz immer mehr Kinder und Teenager in der Hoffnung auf einen Durchbruch.

Manche werden auch tatsächlich zu Klickberühmtheiten, zumindest für eine kurze Zeit - lernen dabei aber auch die gemeine Seite der Netzgemeinde kennen.

So ergeht es gerade der 13-jährigen Rebecca Black. Das Mädchen mit der Ausstrahlung eines Disney-Kinderstars lud bei YouTube ihren Song „Friday“ hoch, verpackt in einem Hochglanz-Videoclip, der ihre Eltern rund 2000 Dollar (1400 Euro) gekostet hat. Black wurde schnell zur neuesten Internet-Sensation. Das „Friday“-Video wurde sogar häufiger angeschaut als Lady Gagas Chartstürmer „Born This Way“, aktuell rund 30 Millionen Mal.

Allerdings eben nicht nur, weil die Nutzer den Song so toll fanden. Stattdessen wurde die Teenagerin auch zur Klick-Meisterin, da der Link als Beispiel für eine peinliche und talentfreie Darbietung herumgeschickt wurde. Das Schlimmste, was sie an harten Kommentaren gelesen habe, sei „ich hoffe, Du stirbst“ gewesen, bekannte Black in einem Fernsehinterview.

Doch die Kalifornierin Black stürzte mit ihrem optisch polierten Video zudem auch die zehnjährige Kanadierin Maria Aragon vom Thron der neuesten Netzprominenten. Den Aufstieg hatte die kleine Maria ausgerechnet mit einer Cover-Version von Lady Gagas „Born This Way“ geschafft - allerdings als einfache Home-Version.

Neben den bedenklich gezielten Ambitionen von Jugendlichen und Eltern, über das Internet berühmt zu werden, zeigt das Beispiel Aragon/Black damit aber vor allem, dass der Ruhm als Nummer Eins auch ebenso schnell wieder verblassen kann und sich nur in seltenen Fällen dauerhaft halten lässt.

Doch selbst wenn morgen schon wieder ein anderer Name am Web-Himmel stehen sollte, fühlen sich Kenner der Szene bei beiden Mädchen an das bisher erfolgreichste Beispiel des Internet-Starphänomens erinnert. Denn auch Aragons Landsmann Justin Bieber hatte mit selbst eingestellten Videos seinen Weg ins Musikbusiness begonnen - heute verkauft er Millionen Platten und legt 500 Dollar (360 Euro) für einen Haarschnitt hin, der ähnlich wie die Beatles-Frisur, einen neuen Trend bei der jugendlichen Fan-Gemeinde etablierte.

Aber mit seiner fulminanten Cyber-Karriere ist er nicht der Einzige: Viele Menschen nutzen, freiwillig oder unfreiwillig, das Massenmedium Internet als Bühne und erlangen so Bekanntheit. Schöne Models, begabte Komiker und Schauspieler wie Nick Thune, der in Hollywood Fuß fassen konnte, sind Netzprodukte, aber auch skurrile Sänger und Tänzer wie Gary Brolsma aus New Jersey.

Letzterer sorgte gar für eine Wortneuschöpfung: Auf einem Video sang er den moldawischen Sommerhit „Dragostea din tei“ nach und benannte ihn nach dem Refrain „Numa Numa“. Nach erster Verlegenheit über die plötzliche Prominenz folgte prompt das nächste Video und eine geschickte Vermarktung nahm ihren Lauf - „Numa Numa“ gilt seit dem unter Bloggern als Synonym für solche Musikcover-Videos im Netz.

Mittlerweile setzen einige Unternehmen sogar Internet-Talentscouts ein, um so möglichst günstig und als erste an solche Stars zu kommen. Die Liste dieser Web-Sternchen scheint endlos: Sie reicht von Amber Lee Ettinger, dem sogenannten „Obama-Girl“, das mit Gesang und Foto-Collagen den damaligen Präsidentschaftskandidaten anhimmelte, bis hin zu Jonathan Ware. Der hatte allein dadurch die Internet-Gemeinde für sich gewonnen, dass er als Monster geschminkt einer Reporterin eine ungewöhnliche Antwort gab, als ihn diese nach seiner Maskerade fragte.

Da der damals Zehnjährige zuvor eine Schildkrötenfarm besucht hatte, antwortete er schlicht „I like turtles - ich mag Schildkröten“ und avancierte binnen weniger Tage zum Web-Liebling - mit einem für seine Familie sehr lukrativen Merchandising-Nebengeschäft.

Eine Art Prototyp der Internet-Sternchen war „Lonelygirl15“. Das Mädchen sorgte lange für Mitleid, indem sie auf Videos ein trostloses Dasein mit erzkonservativen Eltern und ohne Freunde schilderte. Tatsächlich narrte sie aber ihre YouTube-Fans: „Lonelygirl15“ war eine Schauspielerin und lediglich das Kunstprodukt einer Blog-Gruppe.

Doch die beschleunigte Internet-Prominenz kann auch ins Negative kippen, etwa wenn es an Talent oder Aussehen mangelt. Dann werden selbst Kinder im Laufe von Stunden im Netz fallengelassen und tragen nach monatelangem Cyber-Mobbing nicht selten auch psychische Schäden davon - oder begehen im Extremfall Suizid, wie die dreizehnjährige Megan Meier aus Missouri.

Medienexperten staunen über die rasante Entwicklung und den enormen Bedeutungszuwachs der alles bewertenden Internet-Community. Denn nicht nur die Gefahren der Netzprominenz gäben stark zu denken. Allein schon, dass Marginalien, wie der Schildkröten-Slogan, in der Welt des World Wide Web mittlerweile ausreichten, um Kultstatus mit TV-Auftritten und eigenen Fanartikeln zu erlangen, sage viel über die reale Gesellschaft hinter dieser virtuellen Welt aus. Autoren wie Georg Franck gehen noch einen Schritt weiter. Der Professor sieht in einer immer offeneren Gesellschaft die Aufmerksamkeit gar als eine Art Währung der Zukunft.