Smartphones und Streaming diktieren neue Regeln im Hifi-Geschäft

Berlin (dpa) - Die Hifi-Branche genoss lange ein sicheres Geschäft mit Audio-Anlagen und Lautsprecher-Boxen. Jetzt geben zur Funkausstellung IFA die Anbieter den Ton an, die das Potenzial der Vernetzung erkannt haben.

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Die Zukunft gehört intelligenten Lautsprechern und Apps.

Der Vormarsch der Smartphones und Online-Musikdienste hat die Karten im Geschäft mit Unterhaltungselektronik neu gemischt. Statt von der CD kommt die Musik immer häufiger aus dem Mobiltelefon, dem Heimserver oder direkt aus dem Netz. Die Geräte-Hersteller wetteifern darum, die richtige Technik für den neuen Trend in ihr Angebot zu bringen. Zugleich öffnete der Wandel die Tür für junge Firmen, mit den Platzhirschen der Branche zu konkurrieren.

Zur Elektronikmesse IFA in Berlin (5. bis 10. September) überbieten sich die Anbieter mit der Ankündigung neuer Lautsprecher mit drahtloser Funk-Anbindung über WLAN oder Bluetooth sowie Multiroom-Systeme, mit denen man die Musik in verschiedene Räume bringen kann. Auch Verstärker und Hifi-Anlagen werden vernetzt.

Die jüngsten Verkaufszahlen zeigen den Trend deutlich. Der Absatz der Heimkino-Systeme, in denen die Industrie einst ein großes Geschäft witterte, fiel nach Zahlen des Branchenverbandes gfu im ersten Halbjahr um ein Fünftel. Dagegen wurden 30 Prozent mehr Lautsprecher-Boxen verkauft und bei den Docking-Lautsprechern gab es sogar einen Sprung von gut 83 Prozent. Inzwischen zeichnet sich der nächste Schritt ab: Die Boxen werden direkt mit Online-Diensten verknüpft oder werden selbst zu intelligenten Geräten.

So versucht der Lautsprecher Cone der US-Firma Aether, dem Nutzer von allein die passenden Songs für jeden Zeitpunkt aufzutischen. Dafür richtet sich Cone unter anderem nach der Tageszeit und analysiert auch den Musikgeschmack seines Besitzers - man kann Titel, die einem nicht gefallen, per Sprachbefehl abbrechen. Das lernende Gerät merkt sich auch, welche Musik und wann lauter oder leiser abgespielt wurde.

Auch beim dänischen Konkurrenten Libratone macht man sich ähnliche Gedanken. „In der Zukunft könnte der Lautsprecher erkennen, wer vor ihm ist“, sagt Chefentwickler Jes Mosgaard. Zu den neuen Bedienkonzepten könne neben der Sprachsteuerung auch die Erkennung von Gesten oder Entfernung gehören. Die Bausteine dafür sind bereits da: Zum Beispiel demonstrierte der Spracherkennungs-Spezialist Nuance sein System, das nicht nur gesprochene Befehle versteht, sondern auch unterscheiden kann, von welcher Person sie kommen.

Die Herausforderung ist, bei allein technischen Möglichkeiten die Nutzer nicht zu überfordern. „Wir versuchen umzusetzen, was sinnvoll ist, und nicht aus der Lust daran, ein Gadget zu bauen“, zieht Mosgaard die Grenze. Der Audioingenieur war vor Libratone beim High-End-Anbieter Lyngdorf und versucht nun, sein Wissen über guten Sound in günstigere Technik zu packen.

Der amerikanische Industrieriese Harman mit Marken wie JBL, AKG und Mark Levinson setzt auf Software, um mit besserer Soundqualität in seinen Geräten zu punkten. Die Technologie mit dem Namen Clari-fi soll aus stark komprimierten Dateien der Streaming-Dienste wieder einen ausdrucksstärkeren Ton hochrechnen.

Auch der Multiroom-Pionier Sonos passt die Bedienung seiner Geräte an die neue Zeit an. Wenn man in der App der kalifornischen Firma nach einem Song sucht, werden die gebündelten Angebote verschiedener Streaming-Dienste durchforstet. „Die Kunden sollten sich keine Gedanken darüber machen müssen, von wo genau die Musik herkommt, die sie hören wollen“, sagt Sonos-Verkaufschef Patrick Spence. Ein Vorteil der Lösung sind, dass ein Nutzer Playlisten über verschiedene Online-Dienste hinweg erstellen kann. Sonos will mit solchen Innovationen seine Position gegen wachsende Konkurrenz halten und gibt sich trotzig: „Dass große Rivalen wie Bose und Samsung in die von uns geprägte Produktkategorie streben, bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Die alteingesessenen Anbieter haben noch einige Vorteile: Ihr über Jahrzehnte gewachsenes Vertriebsnetz und die schiere Größe, mit der man günstiger an Bauteile kommt und effizienter produzieren kann. „Ein Problem für kleinere Unternehmen ist, dass wir nicht den nötigen Massenabsatz haben, um die Kosten zu drücken“, sagt Libratone-Chef Tommy Andersen. Die dänische Firma hofft, dass neue Investoren aus Asien ihr einen günstigeren Zugang zu Produktionslinien eröffnen.

„So wie sich die Industrie entwickelt, wird die Musik größtenteils über Streaming-Dienste aus dem Netz gehört werden“, ist Andersen überzeugt. Und da stehe ein gnadenloser Konkurrenzkampf um den neuen Markt bevor: „Es werden auf absehbare Zeit eine Menge Dienste gegeneinander antreten. Unsere Aufgabe muss es sein, die Nutzung der Produkte zu vereinfachen.“