Arbeit gegen Spaß: FIFA 12 und Pro Evolution Soccer 2012 im Test
In der Fußball-Bundesliga gibt es seit Jahren neun Partien am Wochenende. An der Konsole und auf dem PC gibt es lediglich ein Duell pro Jahr: FIFA gegen Pro Evolution Soccer. Die WZ hat beide Spiele getestet und einen knappen Sieger ausgemacht.
Düsseldorf. Im Herbst eines jeden Jahres entfacht in der PC- und Konsolenwelt eine Diskussion immer wieder aufs Neue: FIFA 12 oder PES 2012 — welches Spiel ist besser? Welches Spiel soll ich mir kaufen? Die WZ weiß es und verrät es natürlich.
Was bei FIFA 12 bereits während der ersten Spiele positiv auffällt, ist die deutlich verbesserte Optik der Nationalspieler. Das liegt vor allem an einer neuen 3D-Foto-Technologie, die Electronic Arts dieses Jahr zum ersten Mal eingesetzt hat. Jeder Spieler konnte auf diesem Wege originalgetreu abgelichtet und ins Spiel transportiert werden. Leider gilt dies nicht für weniger bekannte Teams und Spieler — hier gibt es mitunter arg groteske und völlig falsche Gestaltungsvarianten.
Die Bewegungen der Akteure auf dem Rasen sehen im inzwischen 19. Teil der Serie nun deutlich realistischer, einfach echter aus. Der Grund dafür ist die so genannte „Player Impact Engine“, die bei jeder Gegnerberührung, wie zum Beispiel Fouls oder Trikotziehen, physikalisch korrekt berechnet, wie der gefoulte Spieler zu Boden geht. Leider funktioniert diese Technik beinahe zu gut. Denn auch Mitspieler können sich gegenseitig über den Haufen rennen und stürzen teilweise bei minimalen Berührungen wie Steine auf den Rasen.
In den Fußball-Arenen selbst hat sich auch einiges getan. Der Detailgrad der riesigen Bauten wurde erhöht, der Spielfeld-Rasen sieht zum allerersten Mal richtig dicht und greifbar aus. Ein flacher „Teppich“ wie im letzten Jahr gehört damit endlich der Vergangenheit an.
Pro Evolution Soccer 2012 setzt auch dieses Jahr wieder auf eine weniger bunte Gestaltung als FIFA. Die Optik wirkt bei Konamis Fußballspiel ein wenig düsterer und präsentiert sich deutlich erwachsener als die der Konkurrenz. Besonders die Wiedererkennungsmerkmale der Spieler beschränken sich nicht nur auf deren wirklich grandios animierten Gesichter. Auch an den Bewegungsabläufen ist bereits gut zu erkennen, welcher Spieler gerade in Ballbesitz ist. Toll ist auch die Neuerung, dass die Spieler schwitzen und durch Gesichtsanimationen Schmerz, Frust oder Freude authentisch ausdrücken können — einfach klasse.
Weniger gut hingegen ist die Präsentation der Stadien. Diese wirken, wie auch die Zuschauer, sehr steril und leblos.
Insgesamt bietet FIFA die bessere Umgebungsgrafik, PES die authentischeren Spieler.
Zwischenstand: FIFA - PES 1:1
Das Herzstück eines jeden Spiels ist seine Spielmechanik. FIFA 12 spielt sich auf dem Rasen wortwörtlich wie Rasenschach. In der Angriffsbewegung ist der gesamte Spielaufbau zu langsam, ja sogar schon träge. Die vom Computer gesteuerten Mitspieler bewegen sich zu selten in freie Räume, Dribblings sind schwer bis gar nicht erfolgreich ausführbar. Auch den Pässen und Flanken fehlt häufig schlichtweg der Druck. In der Verteidigung hat der Spieler mitunter nicht mit weniger Problemen zu kämpfen. Das neue Defensivverhalten steuert sich nun leicht verändert — leider nicht verbessert. Manchmal kommt das Gefühl auf, dass es den eigenen Spielern an der letzten Aggressivität fehlt.
Nichtsdestotrotz ist FIFA 12 eine wirklich gute Fußballsimulation. Der Spieler muss sich Chancen hart erarbeiten — und das Wort Arbeit ist hier wörtlich zu nehmen. Nichts wird verschenkt und das ist auch gut so. Denn umso größer ist die Freude, wenn der erste Doppelpass gelingt. Die Motivationskurve geht spätestens dann steil nach oben. Spielerisch ist FIFA 12 etwas für Simulationsfanatiker — und die werden hier mustergültig bedient.
Pro Evolution Soccer 2012 schlägt einen leicht anderen Weg ein. Auch hier handelt es sich um eine Fußballsimulation, aber der Spieler hat stets wesentlich mehr Kontrolle über seine Mannschaft. Schwierige Pässe und Flanken finden viel häufiger ihr Ziel, Dribblings und Finten führen erfolgreich zum Ziel und die Computer-Mitspieler denken sprichwörtlich mit. Bereits nach wenigen Spielen stellen sich Erfolgserlebnisse ein. Angriff und Verteidigung gehen dabei schnell in Herz und Blut über, Tore lassen sich nach Traumkombinationen erzielen — allerdings nur, wenn sich der Spieler dabei geschickt anstellt.
Negativ aufgefallen ist die Kunst der Computergegner, Tore auch aus aussichtslosen Positionen und Kombinationen heraus zu erzielen. Das kann schon mal frusten.
Klar ist, dass PES2012 durch die oben genannten Punkte etwas weniger simulationslastig ist, dafür aber auch umso mehr Spaß macht. Und ist es nicht das, was am Ende auf’m Platz zählt? Der Spaß?
Die neuen Steuerungsmöglichkeiten tragen definitiv zum Spielspaß bei. In der aktuellen Version ist es dem Spieler möglich, mit jeweils einem Analog-Stick einen Spieler völlig frei und unabhängig voneinander zu bewegen. Der ballführende Spieler kann mit dem linken, der Stürmer mit dem rechten Stick in den freien Raum bewegt werden — klasse! Auch bei Ecken kann ein Spieler im Strafraum völlig frei bewegt werden, um sich für den Kopfball freizulaufen.
Mit all diesen Raffinessen holt sich PES 2012 in diesem Jahr die Gameplay-Krone zurück. Wo im letzten Jahr FIFA noch die Nase vorne hatte, besinnt sich PES auf seine alte Stärke Spielspaß. Genau richtig!
Zwischenstand: FIFA - PES 1:2
FIFA 12 bietet einen gewohnt starken Soundtrack, viele original aufgenommene Fangesänge aus Stadien auf der ganzen Welt und durch eine Zusatz-Funktion kann der Spieler sogar eigene Musikstücke in sein FIFA integrieren. Während des Spiels rufen die Trainer Spielanweisungen über das Spielfeld, der Stadionsprecher bittet einen Falschparker sein Auto weg zu fahren und die Fans buhen die eigene Mannschaft bei schlechter Leistung gnadenlos aus. Besser geht es kaum. Auch wenn eine Begebenheit immer peinlich bleiben wird: Bei einem Auswärtstor feiert der Stadionsprecher des Heimteams normalerweise nie das Tor der Gastmannschaft — in FIFA 12 leider schon.
PES 2012 kann atmosphärisch FIFA nicht ganz das Wasser reichen. Besonders die Fangesänge stoßen negativ auf. Manchmal ist das geschriene Gemurmel eintönig, nervig und völlig sinnfrei — schade. Dafür kann PES in den Stadien mit Trainern an der Seitenlinie auftrumpfen, die ihre Mannschaft nicht nur lautstark sondern auch wild gestikulierend nach vorne peitschen. Auch sich bewegende Kamerateams tragen erheblich zu einer Atmosphäre wie während einer TV-Übertragung bei. Authentischer als bei FIFA klingen auch die Ball-Geräusche bei Schüssen, Lattentreffern und Pässen.
Musikalisch bietet der Soundtrack von PES genügend Abwechslung. Leider sind auch hier, genau wie bei der Konkurrenz, einige Stücke mehr als skurril. Was solche Stücke in einem Fußballspiel zu suchen haben, muss jeder Spieler für sich selbst entscheiden — Geschmäcker sind ja bekanntlich sehr verschieden.
Die Konkurrenten nehmen sich nichts. Es ist beinahe schon Gesetz, dass die Schwächen des einen, die Stärke des anderen ist. FIFA präsentiert sich durch originalgetreue Fangesänge und super Stadionatmosphäre, wohingegen PES durch echt klingende Sounds und durch den TV-Präsentationsstil punkten kann.
Zwischenstand: FIFA - PES 2:3
Beide Spiele bieten einen Karriere-Modus, in dem sich der Spieler von ganz unten nach oben hocharbeiten muss. Das Ganze nennt sich bei FIFA „Be a Pro“ und bei PES „Legende“. Ihr erstellt euer eigenes Fußballer-Ebenbild, weist ihm eine Mannschaft zu und legt los. Die Unterschiede verstecken sich hier besonders im Detail. Während die Präsentation von FIFA stets besser ist, ist die Menüführung der Konkurrenz um Längen voraus.
Zur Auswahl stehen im Spiel auch Saison-, Turnier- und Online-Modi. Wo Pro Evolution Soccer 2012 mit der offiziellen Champions League-Lizenz auftrumpfen kann, bietet FIFA 12 mal eben original lizenzierte Teams aus beinahe allen wichtigen Fußballigen dieser Welt — und das erst- und zweit-, teilweise sogar dritt- und viertklassig. Lizenztechnisch hat FIFA damit die Nase vorn.
PES fehlt erneut die gesamte Bundesliga — bis auf den FC Bayern und Bayer Leverkusen. Nationalmannschaften sind in beiden Versionen beinahe alle bekannten enthalten.
Trotz des Lizenzreichtums bei FIFA reicht es nicht, PES auf der Zielgerade noch entscheidend zu gefährden. Zu unübersichtlich ist die Menüführung, zu oberflächlich und teilweise verwirrend wirken die Spielmodi. PES wirkt hier einfach strukturierter, durchdachter und ist für den Spieler nachvollziehbarer.
In diesem Jahr können sich die Spieler endlich wieder leichter entscheiden: Wer die Philosophie „Fußball ist Arbeit“ vertritt, muss zu FIFA 12 greifen. Hier wird extrem simulationslastiger Fußball mit Original-Lizenzen, tollen Fangesängen und unterhaltsamen wenn auch unübersichtlichen Spielmodi geboten.
Pro Evolution Soccer 2012 kann allen Fußball-Fans ans Herz gelegt werden, die sich mit der Ansicht „Fußball ist Spaß“ identifizieren können. Der Spielfluss des neuen Teils ist bis dato unerreicht, die Computerspieler denken sinnvoll mit und die Präsentation hat einen großen Schritt in Richtung TV-Stil gemacht. Störend sind immer noch die fehlenden Lizenzen und die nervigen Fangesänge.