Tim Cook in Indien: Zu Besuch beim schlafenden Riesen

Mumbai (dpa) - Viel Schlaf kann Apple-Chef Tim Cook in der Nacht zum Mittwoch nicht bekommen haben. Erst gegen Mitternacht war er im indischen Mumbai (früher Bombay) gelandet, wie die indische Zeitung „Economic Times“ erfahren hatte.

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Am Morgen verließ er noch in der Dämmerung sein Hotel, um einen nahe gelegenen Tempel zu besuchen. Auch dieser Besuch, ebenso wie seine Landung am Vorabend, fand ohne Vorankündigung statt. Lediglich Fotos der Zeitung „Indian Express“, aufgenommen aus einiger Entfernung, zeugen davon.

Zu kaum einem Thema war das Unternehmen zuletzt verschwiegener, als zum ersten Besuch Tim Cooks als Apple-Chef auf dem Subkontinent. Dabei hat Apple hier Großes vor. „Ich sehe Indien da, wo China vor sieben bis zehn Jahren stand. Ich glaube, dort liegen sehr große Chancen“, sagte Cook erst Ende April in einem Gespräch mit Analysten. Bis mindestens Samstag soll Cook laut verschiedenen Medienberichten vor Ort bleiben und sogar Premierminister Narendra Modi treffen.

Indien ist für Apple ein Markt mit zwei Gesichtern. Die Chancen sind angesichts von mehr als 500 Millionen Einwohnern im Alter von 25 Jahren oder jünger immens. Doch das Konzept des Konzerns, aus Elektronikartikeln Luxusgüter zu machen, funktioniert bisher nur auf sehr kleiner Flamme. Das gilt besonders für das wichtigste Produkt des Konzerns, das iPhone.

Bereits heute ist Indien der drittgrößte Smartphone-Markt der Welt mit rund 100 Millionen verkauften Geräten im Jahr 2015. Im kommenden Jahr soll laut einer Studie von Morgan Stanley Indien die USA als zweitgrößter Smartphone-Markt der Welt überholen. Auch Apple profitiert. Um 56 Prozent stieg im Ende März abgeschlossenen Quartal der iPhone-Absatz im Vergleich zum Vorjahr - während gleichzeitig der weltweite Absatz der Geräte zurückging.

Doch die absoluten Zahlen sind noch sehr klein. Mit zwei Millionen verkauften iPhones im gesamten Jahr 2015 erreicht Indien weniger als ein Prozent der weltweiten Apple-Zahlen. „Die Mehrheit gibt einfach nicht genug Geld für ein Smartphone aus“, sagt Neil Shah, Research Director bei der indischen Niederlassung des Marktforschers Counterpoint. „75 Prozent der in Indien verkauften Smartphones kosten weniger als 10 000 Rupien (132 Euro).“ Selbst das drei Jahre alte iPhone 5s kostet in Indien noch knapp das Doppelte, das günstigste aktuelle Gerät, das iPhone SE, knapp das Vierfache.

Bisher hat die indische Regierung allen Versuchen Apples, das zu ändern, einen Riegel vorgeschoben. Einer dieser Versuche war, so genannte refurbished iPhones in Indien zu verkaufen - gebrauchte, generalüberholte Geräte. Schon zweimal hat die Regierung das Unternehmen mit entsprechenden Anträgen abblitzen lassen. Offiziell, weil Indien nicht zum Abladeplatz für Elektroschrott werden wolle. Inoffiziell gehen Beobachter davon aus, dass Neu Delhi das Segment der staatlich geförderten Billig-Smartphones „made in India“ schützt.

Weitere Kostenvorteile könnte Apple mit einer lokalen Produktion schaffen. Produktionspartner Foxconn hatte erst im August 2015 angekündigt, den Standort Indien deutlich auszubauen. Würde Cook eine lokale iPhone-Produktion ankündigen, könnte er damit zudem viele Punkte bei der Regierung sammeln, die mit ihrer Kampagne „Make in India“ stark auf das Thema setzt.

Am Mittwoch beschränkte sich Apple im Wesentlichen darauf, ein Start-up-Förderprogramm in Bangalore für 2017 anzukündigen. Dort sollen Entwickler, die Apps für Apples Betriebssystem iOS programmieren, spezialisierte Unterstützung sowie Zugang zu wichtigen Software-Werkzeugen erhalten. „Indien ist die Heimat einer der lebendigsten und unternehmerisch stärksten iOS-Entwickler-Communities der Welt“, lobte Tim Cook laut einer Mitteilung.

Besonders große Resonanz finden in Indien noch nicht bestätige Medienberichte, nach denen Apple ein Entwicklungszentrum für digitale Karten in Hyderabad eröffnen wolle. Die Karten-App des iPhones hat im Land immer noch große Probleme. Twitter-Nutzerin Lindsay Pereira schrieb am Mittwoch, Tim Cook sei eigentlich auf dem Weg zum örtlichen Strand „Chowpatty“ gewesen und nur versehentlich an einem Tempel gelandet: „Apple Maps hat ihn dorthin gebracht.“