US-Internetfirmen fordern weltweite Reform der Internet-Überwachung

Washington (dpa) - Führende amerikanische Internet-Firmen haben eine Kampagne gegen die gewaltigen Spionageprogramme internationaler Geheimdienste gestartet.

In einem Brief an US-Präsident Barack Obama und Kongress-Abgeordnete sowie über Anzeigen in Tageszeitungen forderten Unternehmen wie Apple, Facebook, Microsoft und Google am Montag Beschränkungen bei der staatlichen Überwachung von Bürgern.

Die USA, deren Geheimdienst NSA durch die Enthüllungen besonders stark in Verruf geraten ist, sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Deutsche IT-Firmen unterstützten den Vorstoß. Auch Telekom-Chef René Obermann kritisierte die schleppende Aufklärung des NSA-Skandals.

Auch Twitter, AOL, Yahoo und LinkedIn beteiligen sich an dem Vorstoß. Auf einer gemeinsamen Website präsentieren die Internet-Riesen ihre fünf „Prinzipien“ für eine globale Reform staatlicher Überwachungsprogramme.

So sollten die Geheimdienste aufhören, massenhaft Kommunikationsdaten aus dem Internet abzufischen, sondern ihre Sammlung konkret auf Zielpersonen beschränken. Zudem müssten die verantwortlichen Nachrichtendienste viel strenger überwacht werden. Der deutsche IT-Branchenverband Bitkom begrüßte den Vorstoß. Der Verband vertritt auch deutsche Telekomunternehmen und Computerhersteller.

Aktivisten werteten die Kampagne teils kritisch. Christopher Soghoian von der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation ACLU bemängelte, dass die Unternehmen erst nach den Veröffentlichungen über die Überwachungsprogramme auf Reformen drängten.

US-Anwältin Jesselyn Radack lobte dagegen die Aktion auf Twitter: „Es spricht Bände, wenn acht Erzrivalen sich zusammentun, um Überwachung durch die Regierung zu begrenzen“, Radack hatte vor einiger Zeit gemeinsam mit anderen Aktivisten Edward Snowden in Moskau besucht.

In Deutschland machte Telekom-Vorstandschef Obermann seinem Unmut über die schleppende Aufklärung der NSA-Affäre Luft. Es sei immer noch nicht klar, welche Daten Geheimdienste abgreifen. „Die Spitzeleien haben das Vertrauen in zwei Grundpfeiler unserer Gesellschaft, die freie Kommunikation und die Privatsphäre, erschüttert“, sie seien „langfristig sogar demokratiegefährdend“, sagte der scheidende Telekom-Chef dem „Handelsblatt“.

Er warf der Bundesregierung und der EU-Kommission vor, nicht entschieden genug zu reagieren. Es sei Sache der Politik, gegenüber den USA die Einhaltung von Datenschutzstandards einzufordern. Das Safe-Harbor-Abkommen, das den Datenaustausch von Unternehmen zwischen der EU und den USA regelt, müsse neu verhandelt werden. „Es ist fahrlässig, dass da so wenig geschieht.“

Die US-Internetfirmen wollen auch genaue Angaben veröffentlichen dürfen, wie oft und warum Regierungen nach der Herausgabe von Nutzerinformationen fragen. Die Unterzeichner riefen die Regierungen auf, sich international auf einen rechtlichen Rahmen für Anfragen nach Nutzerdaten zu einigen.

„Es ist Zeit für den Wandel“, heißt es in dem offenen Brief der Firmen. „Die US-Regierung sollte diese Möglichkeit ergreifen, um die Dinge wieder gerade zu rücken“, sagte Facebook-Chef Mark Zuckerberg in einer Mitteilung. „Die Menschen werden keine Technologie nutzen, der sie nicht vertrauen. Regierungen haben das Vertrauen riskiert - und Regierungen müssen helfen, es wiederherzustellen“, erklärte Microsofts Chefjustiziar Brad Smith.

Die neueste Offensive folgt einer nicht enden wollenden Welle der Enthüllungen über die Praktiken der NSA und anderer Geheimdienste. Erst kürzlich hieß es, die NSA greife Daten aus internen Verbindungen zwischen Datenzentren von Google und Yahoo ab. Beide Firmen betreiben weltweit riesige Rechenzentren. Die Anlagen tauschen ständig Nutzerdaten untereinander aus, etwa E-Mails, Suchanfragen oder Dokumente. Dass der heimische Geheimdienst hier Informationen abgreifen könnte, empörte die Firmen.

Die Internet-Riesen sorgen sich auch um ihr Geschäft. Hunderte Millionen Menschen weltweit nutzen die E-Mail-Dienste, Smartphones, Netzwerke und Chat-Programme der Vorreiter aus dem Silicon Valley. Ein Vertrauensverlust könnte die Unternehmen empfindlich treffen.