Viele Häppchen, eine Story: Kuratierungsdienste

Dortmund (dpa/tmn) - Blogs, Nachrichten-Portale, YouTube, Twitter: Das Netz ist eine schier unerschöpfliche Informationsquelle. Mancher verliert da den Überblick. Kuratierungsdienste wie Storify helfen, die Fundstücke zu bündeln und hübsch zu präsentieren.

Als Anfang September im Ruhrgebiet der Boden wackelte, machte die Nachricht zuerst auf Twitter die Runde. „Hui, Erdbeben in Dortmund?“, fragte eine Nutzerin über den Kurzmeldungsdienst. Ein anderer schickte bald darauf einen Bericht des Geoforschungszentrums Potsdam herum: Stärke 4,6. Es dauerte nicht lange, da vermeldeten auch das Pottblog und der WDR das Beben.

Für die Dortmunder Lokalredaktion der „Ruhr Nachrichten“ (RN) waren die vielen Info-Häppchen ein prima Rohstoff: Die Reporter schrieben nicht nur einen Artikel für die Website und die Zeitung, sondern bastelten auch eine Multimedia-Geschichte - mit dem Dienst Storify. Twitter-Meldungen, Links und Videos fügen sich zu einem bunten Bild von dem Naturereignis zusammen.

Damit liegen die Berichterstatter aus der Ruhrstadt im Trend: Immer mehr junge Dienste helfen, die Informationsflut zu ordnen, die täglich durchs Internet rauscht. Bei Storify und Licorize, Scoop.it und Curated.by können Nutzer Inhalte ordentlich ablegen, neu zusammenstellen und kommentieren. Das alles geht mit wenigen Klicks und ist somit deutlich einfacher, als ein eigenes Blog anzulegen. Kuratieren wird das genannt. Man könnte auch sagen: Linkliste 2.0.

Bei Storify können Nutzer über eine Suche Inhalte aus Twitter, YouTube, Flickr, Facebook aufstöbern, kommentieren und per „drag and drop“ zu einer Geschichte verarbeiten. Dank einer Schnittstelle lassen sich die Storys exportieren und auf der eigenen Website veröffentlichen.

Während Storify einem bebilderten Nachrichtenartikel ähnelt, sieht Scoop.it eher wie ein Journal aus. Der Dienst generiert aus den Links bunte Vorschauen mit Überschriften und Fotos, wie es von der iPad-App Flipboard bekannt ist. Auch eigene Bilder kann man hochladen. Wer bei dem Dienst registriert ist, kann - ähnlich wie bei Twitter - anderen folgen und nachlesen, was sie alles veröffentlichen.

Der Web-Entwickler Henry Zeitler aus Düsseldorf gehört zu den ersten Nutzern. Auch wenn es hier und da noch hakt, ist er angetan. Scoop.it ziele nicht auf Nerds, sondern „Otto-Normal-User“ ab: „Das ist für Leute interessant, die keinen eigenen Blog betreiben, aber etwas verbreiten möchten. Die einfache Handhabung macht Spaß“, sagt der Tester, der das Blog Freizeitler.de betreibt. Ein Manko sieht Zeitler allerdings: „Im Moment passiert nicht viel, es plätschert vor sich hin.“ Der Dienst ist im geschlossenen Testbetrieb, Scoop.it werde bald allen Nutzern offenstehen, versichert das Unternehmen.

Während bei Storify und Scoop.it das Kuratieren im Mittelpunkt steht, ist Diigo ein vollumfänglicher Informationsmanager mit einem angeschlossenen Sozialen Netzwerk. Nutzer können dort Fundstücke ablegen und mit einem virtueller Textmarker Passagen hervorheben. Doch auch Diigo ist ein Kuratier-Werkzeug: „Ich kann Linklisten zusammenstellen und einzelne Beiträge kommentieren“, erklärt Andreas Auwärter, der sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Koblenz mit E-Learning beschäftigt und Diigo seit 2008 verwendet.

Optisch kann Diigo mit Storify und Scoop.it nicht mithalten, auf Bilder und Vorschauen müssen Nutzer verzichten. Auwärter überzeugen aber andere Funktionen, etwa die Suche und die Gruppenfunktion. „Ich kann entscheiden, ob ich Links in einer geschlossenen Gruppe verbreite oder veröffentliche - das ist für mich ein Muss“, sagt er.

Ähnlich wie Diigo ist Delicious ein Lesezeichen-Dienst. Doch der Web-2.0-Pionier setzt seit kurzem ebenfalls aufs Kuratieren: Nutzer können Links in übersichtlichen Listen - Stacks - zusammenfassen und mit aller Welt teilen. Dank der integrierten Website-Vorschauen sieht das hübsch aus. Bei den jüngsten Änderungen gab es allerdings einige technische Probleme, viele Stammnutzer sind verärgert.

Wer aus den Inhalten anderer etwas Neues zusammenpuzzelt, sollte das Urheberrecht nicht vergessen. „Wenn man Links zusammenstellt und kommentiert, ist das unproblematisch“, sagt Rechtsanwalt Carsten Ulbricht aus Stuttgart. Wenn man Textpassagen übernimmt, gelte das Zitatrecht: „Ich kann Werkteile entnehmen, wenn ich die Originalquelle angebe meine eigene Ausführungen hinzufüge“, sagt Ulbricht, der sich auf IT- und Internetrecht spezialisiert hat.

Zu großer Vorsicht rät der Anwalt bei Fotos - die unerlaubte Übernahme fremder Bilder hat vielen Bloggern und Website-Betreibern juristischen Ärger bereitet. „Wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich das Bild nutzen kann, sollte ich die Finger davon lassen.“ Kein Problem sieht er in Screenshots.