Vollständige Anonymität im Netz gibt es nicht
Hannover (dpa/tmn) - Wer durchs Internet surft, hinterlässt Spuren. Es gibt zwar Möglichkeiten, sich durch den Einsatz geeigneter Software etwas zu verstecken - aber absolute Anonymität im Netz ist nicht möglich.
Spätestens seit den Snowden-Enthüllungen ist vielen Menschen klar, dass sie im Internet nicht unerkannt bleiben. „Man fühlt sich beobachtet“, sagt Axel Kossel von der Fachzeitschrift „c't“. Geheimdienste überwachen den Datenverkehr im Netz; das für den Endanwender akutere und lösbarere Datenschutzproblem ist aber die Werbeindustrie.
Internet-Werbung sei grundsätzlich nichts Schlimmes, sagt Kossel. Allerdings versuchen die Agenturen, den Nutzern möglichst personalisierte Werbung einzublenden. So könne es einer Frau, die im Internet nach einem Schwangerschaftstest sucht, passieren, dass sie im Anschluss ständig Windel-Werbung angezeigt bekommt. „Dann merkt man doch schon, dass das sehr tief in die Privatsphäre eingreift“, sagt Kossel.
Eine Möglichkeit, identifiziert und damit auch von der Werbeindustrie verfolgt zu werden, ist die sogenannte IP-Adresse - eine Art Nummernschild eines Computers im Netz. „Sie sind den ganzen Tag mit der gleichen Adresse unterwegs“, sagt Kossel. Virtual Private Networks (VPN) sind ein Weg, diese Adresse zu verschleiern. Dabei werden die Anfragen des Surfers über einen VPN-Knoten geleitet. Webseiten bekommen dann die IP-Adresse des Knotens und nicht die des Nutzers angezeigt. VPN haben aber auch Nachteile. „Sie sind entweder beschränkt und langsam oder sie kosten Geld“, erklärt Kossel. Bis zu 15 Euro im Monat werden verlangt.
Das TOR-Netzwerk ist eine kostenlose Möglichkeit, weitgehend anonym online zu sein. Die Anfragen werden hier über mehrere Server geleitet, so dass eine Rückverfolgung schwierig ist. Das früher von Experten empfohlene Netzwerk hat allerdings Schwachpunkte. „Einmal ist es sehr unpraktisch, weil es das normale Surf-Verhalten sehr einschränkt“, sagt Norbert Pohlmann, Leiter des Instituts für Internet-Sicherheit in Gelsenkirchen. Die Umleitung über das Netzwerk sorge nämlich für „gewaltige Geschwindigkeitsprobleme“.
TOR sorge grundsätzlich für mehr Anonymität, sagt auch Tim Griese, Sprecher des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). „In den vergangenen Monaten gab es aber auch immer wieder Berichte, nach denen Austritts-Server (Exit-Nodes) des TOR-Netzwerks unter Überwachung stehen, beispielsweise von Sicherheitsforschern oder anderen Stellen, und somit die Anonymität gegebenenfalls infrage gestellt ist.“ Auch Geheimdienste sollen hier mitlesen.
Eine deutsche Lösung für Anonymität ist Jondonym. Der Dienst wurde unter anderem vom schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten mitentwickelt und leitet Daten über einen sogenannten Proxy-Server. Das ist zunächst kostenlos - Hochgeschwindkeit kostet aber Geld. „Das kann man auf jeden Fall empfehlen“, sagt Kossel. Vor der Nutzung sollte man allerdings jeden Anonymisierungsdienst gut ansehen. Schließlich kann der Anbieter die IP-Adresse mitlesen, wie Experte Pohlmann erläutert. „Die Vertrauenswürdigkeit ist sehr wichtig.“
Eine weitere Technik, Computer zu identifizieren, ist das „Fingerprinting“. Dabei werden technische Daten, die der Browser aussendet - wie Software-Version, Betriebssystem oder Bildschirmauflösung - analysiert. Die einzigartige Kombination dieser Merkmale ermöglicht eine eindeutige Identifizierung. „Es ist also einfach möglich, über den Browser Informationen über den Nutzer zu sammeln“, sagt Kossel. Und auch Cookies, kleine Dateien, die auf dem Rechner des Nutzers gespeichert werden, helfen Internet-Servern, ihn wiederzuerkennen. Schützen kann man sich mit kostenlosen Add-ons für den Browser wie „Privacy Badger“, „Disconnect“ oder „DoNotTrackMe“ und durch regelmäßiges Löschen der Browser-Cookies.
Auch im Speicher von Smartphone, Tablet und PC hinterlassen Nutzer Spuren. So werden im Browser die zuletzt aufgerufenen Seiten gespeichert. Die kann jeder andere sehen, der das Gerät mitnutzt. „Meine Anonymität fängt auf dem Endgerät an“, sagt Pohlmann und empfiehlt, den Browser-Verlauf regelmäßig zu löschen oder gleich im Inkognito-Modus zu surfen.
Bei allen Möglichkeiten, die eigene Identität zu verschleiern, ist absolute Anonymität im Internet trotzdem nicht zu erreichen. „Es ist immer nur ein bestimmter Grad an Anonymität möglich“, sagt Experte Pohlmann. Sich gegen mögliche Ausspäh-Aktionen internationaler Geheimdienste zur Wehr zu setzen, ist seiner Meinung nach zum Scheitern verurteilt: „Gegen die NSA kann ich nicht angehen.“