Von Shitstorm bis „Supergeil“: Firmen buhlen online um Kunden
Berlin (dpa) - Das Internet verändert die Art, wie Firmen auf Kundenfang gehen. Neben Anzeigen und Fernsehspots versuchen immer mehr Unternehmen, mit witzigen Videos oder cleveren Schlagworten eine Welle der Mundpropaganda im Netz loszutreten.
Eine besondere Rolle spielen dabei die Online-Netzwerke.
„Dass Facebook, Twitter, soziale Netzwerke und das Internet als Ganzes relevant sind, hat jeder verstanden“, sagt Christoph Bornschein, Mitgründer der Berliner Digitalagentur „Torben, Lucie und die gelbe Gefahr“.
Dabei zeigten sich Nutzer in Deutschland lange Zeit eher zurückhaltend gegenüber Netzwerken wie dem Echtzeit-Dienst Twitter. Die Fußball-WM sorgte für einen Schub. „Twitter ist im Mainstream angekommen, seit Bastian Schweinsteiger da ist“, sagt Bornschein. Auch bei Facebook, dem weltgrößten Online-Netzwerk, sind immer mehr Marken aktiv.
Herkömmliche Anzeigen funktionieren auf den Plattformen im Netz nicht besonders gut. Stattdessen setzen Firmen häufig auf Botschaften, die sich von Nutzer zu Nutzer verbreiten. Die Supermarktkette Edeka landete so einen Hit mit ihrem „Supergeil“-Video. Darin preist der Künstler Friedrich Lichtenstein auf herrlich schräge Weise („Ich find's supergeil, supergeil“) Lebensmittel an. Der Clip wurde allein bei YouTube mehr als 11,5 Millionen Mal angeklickt.
Der schillernde Künstler und das Ohrwurm-Lied befeuerten die Verbreitung des Edeka-Spots, sagt Jonas vor dem Esche, der an der Westfälischen Wilhelms-Universität über Online-Marketing forscht. „Es gibt Themen, die sich dafür besser und schlechter eigenen“, sagt er. Mode und Unterhaltung liefen gut. „Wenn ich Schraubenverkäufer bin, habe ich es schwieriger.“
Zur Verbreitung der Werbebotschaften dienen nicht mehr nur eigene Facebook-Auftritte, Twitter-Profile und Instagram-Fotoseiten der Firmen. Auch Blogger mit vielen Fans werden als Werbeträger interessant. Stars bei YouTube oder Instagram haben eigene Vermarktungsnetzwerke, über die Firmen an sie herantreten können.
Die Selfie-Stars kommen teilweise auf mehrere zehntausend Fans. So lassen sich schnell viele Menschen erreichen. „Inzwischen wird das sehr professionell gemacht“, sagt vor dem Esche. Dabei gibt es auch Fallstricke: So warfen im Frühjahr Landesmedienanstalten mehreren Machern von Internet-Videos illegale Schleichwerbung vor.
Hinter den neuen Werbeformen steckt die Hoffnung, dass Botschaften von echten Menschen glaubwürdiger wirken. „Es gibt dieses Gefühl, dass unsere Kunden etwas Authentisches und Echtes wollen und dass sie Menschen wollen, denen sie sich ähnlich fühlen“, sagte Stephanie Phair von der Luxus-Modeseite TheOutnet auf der Digitalkonferenz DLD Women.
Dabei ist die Echtheit oft genau inszeniert. Ein Beispiel lieferte die Diskussionsrunde mit Phair. Dort saß auch Margherita Maccapani Missoni, die für das Modehaus ihrer Familie um die Welt jettet und davon fleißig Fotos auf Instagram präsentiert. „Du machst es richtig, wenn die Menschen tatsächlich glauben, dass du viel preisgibst - aber dann zeigst du in Wirklichkeit nur, was du zeigen willst“, sagt sie.
Auch die spontan wirkenden Firmen-Inhalte im Netz sind oft professionell produziert, sagt Fachmann vor dem Esche: „Das ist eine Menge Arbeit“. Er rechnet damit, dass Unternehmen weitere Ressourcen in eigene Fotos, Videos und Texte für ihre Online-Profile stecken werden. Sportartikelhersteller bauten eigene Abteilungen auf, um Inhalte über die von ihnen finanzierten Sportstars zu verbreiten.
Dazu kommt die Betreuung der Online-Auftritte. Beim Versandhändler Otto sind 25 Mitarbeiter damit beschäftigt, Anfragen über Facebook und Twitter zu beantworten. Die Deutsche Bahn und die Telekom haben ebenfalls eigene Social-Media-Teams.
Denn Stolperfallen gibt es jede Menge. Und das Internet bietet den Nutzern eine Plattform, ihre Meinung zu Unternehmen und Werbung schnell mitzuteilen. Läuft eine Werbeaktion schief, können tausende Kommentare in kürzester Zeit auf ein Unternehmen einprasseln. Eine abweisende Reaktion kann den Ärger noch verstärken. Dann ist der „Shitstorm“ perfekt.
Beispiele gibt es genug. Die Burgerkette McDonald's wollte auf Twitter Geschichten von Kunden sammeln - stattdessen lästerten die über das ungesunde Essen. Dass Dirk Nowitzki in einem Werbespot der Direktbank ING Diba eine Scheibe Wurst aß, rief Vegetarier auf den Plan. Otto nahm Anfang 2013 in Österreich ein Mädchen-T-Shirt aus dem Sortiment, nachdem Nutzer sich auf Facebook über den Aufdruck „In Mathe bin ich Deko“ beschwert hatten.
Aus dem Feedback in Echtzeit können man lernen, sagte eine Sprecherin. „Außerdem haben wir die Chance, uns in die Diskussion einzubringen“. Sie empfiehlt ein selbstkritisches und offenes Auftreten: „gestehen Sie wenn nötig Fehler ein“.