Vorbild Amerika - Podcasts auch in Deutschland beliebter
München (dpa) - Die Amerikaner sind den Deutschen wieder mal voraus: Podcasts erleben in den Vereinigten Staaten ein Revival, seitdem 2014 die Serie „Serial“ an den Start ging.
Millionen Hörer fesselte die investigative Recherche der Reporterin Sarah Koenig. Die deutschen Podcast-Macher wollen daran anknüpfen - und die Zeichen stehen gut.
Von 2014 auf 2015 hat sich die Quote der deutschen Podcast-Hörer fast verdoppelt. 13 Prozent der Onlinenutzer ab 14 Jahren haben im vergangenen Jahr zumindest selten Audio-Podcasts genutzt - im Vorjahr waren es nur 7 Prozent. Immerhin 5 Prozent der 14- bis 29-Jährigen hörten laut aktueller ARD/ZDF-Onlinestudie täglich Podcasts.
„Die Podcasting-Szene wird explodieren“, sagt der Digitalexperte Rex Sorgatz für 2016 für den amerikanischen Markt voraus. In Deutschland sind Podcasts bislang ein Nischending, das vielfach als Hobby betrieben wird. Das Angebot indes ist riesig: Allein in den Top 20 der iTunes-Charts vom 23. Februar reicht die Bandbreite von Fitness- über Fremdsprachen- bis zu Vorlese-Podcasts zum Einschlafen. Vieles sind allerdings einfach Sendungen, die vorher schon im Radio liefen. Kanzlerin Angela Merkel erklärt die Welt seit 2006 in ihren Videos.
Der deutsche Podcast, er krabbelt langsam aus der Nische. Anfang März geht das Berliner Podcast-Netzwerk „Castronauten“ an den Start, Ende Januar hat sich „Viertausendhertz“ - eigenen Angaben zufolge das erste Podcastlabel im deutschsprachigen Raum - gegründet. „Aufwendig produzierte Features, Serien in horizontaler Erzählweise, aber auch innovative Interviewformate“, werden angekündigt. In der Erzählweise orientiere man sich an amerikanischen Vorbildern wie „This American Life“, „Radiolab“ oder eben „Serial“, sagt Mitgründer Nicolas Semak. „Die inspirieren uns, aber die können wir nicht nachmachen.“
Mit sechs Podcasts ist „Viertausendhertz“ zunächst an den Start gegangen. Einige bauen aufeinander auf, die Episoden anderer Podcasts können für sich stehen. „Viertausendhertz“ sei eine Art unabhängiges Plattenlabel - nur eben für Podcaster, sagt Semak. Plattformen wie diese gibt es in den USA bereits vielfach. Finanziert werden soll das Ganze - ebenfalls nach US-Vorbild - durch kurze Werbespots während der Sendung. Für die deutsche Podcast-Szene eine Art Novum: Es soll Geld verdient werden. Dazu haben die Macher von „Viertausendhertz“ Marketingexpertin Marie Dippold ins Boot geholt.
Andere Indizien für einen anhaltenden Podcast-Trend: Apple hat die Podcast-App auf seinen iPhones mittlerweile bei der Auslieferung vorinstalliert. Google kündigt an, dass Podcasts in Kürze bei „Google Play Musik“ angeboten werden. Und auch Streamingdienste wie Spotify haben jetzt vereinzelt Podcasts im Angebot. Google, Apple, Spotify - diese Big Player könnten bei der Verbreitung von Podcasts eine wichtige Rolle spielen, sagt die freie Medienforscherin Nele Heise.
Der Bayerische Rundfunk (BR) ist einer der Kooperationspartner von Spotify und Deezer. Bei Deezer können derzeit rund 150 BR-Podcasts gehört werden, bei Spotify vorerst etwa 15. Es sind Sendungen wie „Das Netzmagazin“ auf B5 aktuell oder der „Netzfilter“ von Puls, der Jugendwelle des BR. Puls plant zudem einen Podcast, der in Serie geht - und dann zuerst online abrufbar sein soll. „Wir müssen einfach dahin, wo die Leute die Sachen hören“, sagt Gabriele Willmann, die beim BR Podcasts betreut. „Natürlich hoffen wir auch, dass der ein oder andere bei uns hängenbleibt und mehr von uns entdeckt.“
Ihre Kollegin Birgit van Eimeren, die für Unternehmungsanalyse und Medienforschung zuständig ist, spricht von einem „Run auf Podcasts“. Innerhalb der vergangenen acht Jahre hätte der Sender die Zahl der Podcasts mehr als verdoppelt - die Zahl der Downloads sei im gleichen Zeitraum um das zwanzigfache gestiegen. Podcasts seien „eine riesengroße Chance, Zielgruppen zu erreichen, die uns im linearen Radio weniger hören“, sagt Alexander Schaffer, Leiter der Programmredaktion von Bayern 2.
Vor zehn Jahren erlebten Podcasts schon mal einen kleinen Hype. Der war allerdings schnell wieder vorbei. Smartphones und mobile Mediennutzung haben sich seitdem rasant verbreitet. Zudem habe sich die Haltung der Hörer gewandelt, sagt Podcast-Expertin Heise. Die Nutzer wollten souverän darüber entscheiden, welches Medium sie wann und wo nutzen. Dazu hätten auch die Streaming-Plattform Netflix und die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender beigetragen.
Eine Explosion steht dem deutschen Podcast noch lange nicht bevor - spannende Zeiten indes auf jeden Fall.