Wall Street wartet auf Facebook mit Hoffen und Bangen
New York (dpa) - Der Countdown für den Börsengang von Facebook läuft. Am Freitag dürften die Aktien des weltgrößten Online-Netzwerks erstmals an der US-Technologiebörse Nasdaq gehandelt werden.
Seit Monaten fiebern die Investoren diesem Moment entgegen. Es ist der größte Internet-Börsengang aller Zeiten und auch branchenübergreifend kommt Facebook unter die Top Ten.
Die Einnahmen liegen nach letztem Stand bei bis zu 16 Milliarden Dollar. Zusammen mit den Aktien, die bei den Alteigentümern wie Gründer Mark Zuckerberg verbleiben, könnte das Internet-Unternehmen auf einen Wert von 104 Milliarden Dollar kommen oder umgerechnet 79 Milliarden Euro. Das ist mehr als deutsche Großkonzerne wie Siemens oder VW auf die Waage bringen.
Facebook ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte gelungen. 2004 als digitales Jahrgangsbuch für Studenten gegründet, zog das Netzwerk schon im ersten Jahr rund eine Million Nutzer an. Mittlerweile sind es gut 900 Millionen, Tendenz weiter steigend. Das macht Facebook für die Werbeindustrie interessant und erklärt den Milliardenwert.
Bei Investoren ist Facebook derart begehrt, dass das Unternehmen zuerst den geforderten Preis je Aktie anhob und schließlich auch noch die Anzahl der angebotenen Anteilsscheine. Ursprünglich hatte Facebook Einnahmen von 5 Milliarden Dollar angepeilt, nun ist es mehr als das dreifache. Facebook verlangt 34 bis 38 Dollar je Papier.
Es wäre aber durchaus denkbar, dass Facebook in letzter Minute noch einmal draufschlägt. Nach Angaben des US-Senders CNBC wären maximal rund 45 Dollar drin. Die Zeitung beruft sich dabei auf eine Person, die mit dem Geschäft vertraut ist, sowie auf Börsenregularien. Der endgültige Preis wird wenige Stunden vor dem Handelsbeginn verkündet.
Doch schon innerhalb der Spanne ist der Börsengang gigantisch: Zusammen mit der sogenannten Mehrzuteilungsoption - eine Art Aktienreserve der Banken - könnte Facebook bis zu 18,4 Milliarden Dollar einsammeln und würde damit an die beiden größten Börsengänge der US-Geschichte anschließen: Die Kreditkartenfirma Visa hatte 2008 inklusive Mehrzuteilung 19,7 Milliarden Dollar eingenommen und der Autokonzern General Motors im Jahr 2010 nach seinem Neustart 18,1 Milliarden Dollar.
Weltweit noch größer waren lediglich die Börsengänge dreier chinesischer Finanzkonzerne. Schon gibt es Bedenken, Facebook könnte den Markt für Aktienplatzierungen austrocknen: Denn die Investoren können ihr Geld nur einmal ausgeben, und für andere Unternehmen, die aufs Parkett streben, bleibt weniger übrig.
Die bange Frage ist, wohin die Aktie nach ihrem Börsendebüt steuert. Beim Broker Lang & Schwarz wurde das Wertpapier am Donnerstagmorgen auf satte 63,80 Dollar taxiert - das wäre ein Kurssprung von 68 Prozent gegenüber dem höchsten Ausgabepreis. Facebook käme auf einen Marktwert von mehr als 172 Milliarden Dollar und schlösse damit beinahe zum deutlich größeren Suchmaschinenprimus Google mit seinen 205 Milliarden Dollar auf. Ein Händler bezeichnete die enorme Nachfrage als „völlig überzogen“.
Die hohe Bewertung hat die Diskussion wieder angefacht, ob bei Facebook eine Blase droht wie den zu schlimmsten Dotcom-Zeiten. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen gerade einmal 3,7 Milliarden Dollar Umsatz und 1 Milliarde Dollar Gewinn. Andere Börsenneulinge aus dem Internet kosten mittlerweile deutlich weniger als zum Start. Ein Beispiel ist das Schnäppchenportal Groupon, das seine Aktien zu 20 Dollar ausgegeben hatte. Heute bekommen Anleger noch 13 Dollar.
Facebook besitzt jedoch einen riesigen Schatz: seine rund 900 Millionen Mitglieder. In Deutschland sind es nach Daten des IT-Analyse-Unternehmens Social Bakers 23,6 Millionen. Sein Geld macht das Netzwerk mit Werbung - doch die Einnahmen müssen noch viel kräftiger sprudeln, will Facebook seine angepeilte Gesamtbewertung rechtfertigen.
Da kommen die Überlegungen des Opel-Mutterkonzerns General Motors, seine Werbung auf Facebook zusammenzustreichen, zur denkbar schlechtesten Zeit. „Es ist nicht ungewöhnlich für uns, dass wir unsere Ausgaben zwischen den verschieden Medien verschieben“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Nach Informationen von US-Medien ist die Entscheidung in Sachen Facebook bereits gefallen: GM werde seine Anzeigen stoppen, weil die Kunden damit nicht erreicht würden.
General Motors ist einer der größten Werbetreibenden überhaupt, insofern könnte von dem Schritt eine Signalwirkung ausgehen. Unabhängig von klassischen Anzeigen betreibt der Konzern auch eine eigene Facebook-Seite. Deren Inhalte seien „effektiv und wichtig“, sagte Marketingchef Joel Ewanick dem „Wall Street Journal“.
Zudem hat Facebook anhaltend mit Datenschutz-Bedenken zu kämpfen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) forderte Zuckerberg am Mittwoch in einem offenen Brief auf, den Verbraucher- und Datenschutz nachhaltig zu verbessern. Facebook müsse angesichts seines Börsengangs die Unternehmenspolitik überdenken und den Verbraucherschutz ernsthaft verbessern, verlangte die Organisation.