Wie viel Biss hat das „Anti-Abzocke-Gesetz“?
Berlin (dpa) - Monatelang hat die schwarz-gelbe Koalition intern gerungen. Jetzt bringt das Bundeskabinett schärfere Vorgaben auf den Weg, die dubiosen Geschäftemachereien Einhalt gebieten sollen.
Viele Verbraucher sind verunsichert, wenn ihnen am Telefon Verträge aufgedrängt werden oder plötzlich Schreiben von Anwälten und Inkassofirmen im Briefkasten liegen.
Was ist gegen unlautere Telefonwerbung geplant?
Unerbetene Werbeanrufe sind nicht nur nervig, sondern oft eine Überrumpelungsaktion: Gelockt wird besonders oft mit Gewinnspielen - und dazu gedrängt, auch gleich einen Vertrag einzugehen. Einfach per Telefon soll dies künftig nicht mehr möglich sein, wie die Bundesregierung am Mittwoch beschloss. Damit ein angebotener Vertrag gültig wird, muss er per Fax oder Mail schriftlich abgeschlossen werden. Die Höhe des Bußgeldes bei Verstößen soll von 50 000 Euro auf bis zu 300 000 Euro steigen. Dies soll künftig nicht nur gelten, wenn am anderen der Leitung ein Mensch sitzt, sondern auch bei Computer-Anrufen. An der Festlegung auf Gewinnspiele gibt es aber Kritik. „Das muss für alle Anrufe gelten“, sagt Bayerns Verbraucherministerin Beate Merk (CSU).
Welche Maßnahmen sind bei Inkasso-Schreiben vorgesehen?
Im Auftrag von Unternehmen fordern Inkassofirmen Geld für offene Rechnungen ein - dabei wissen die Angeschriebenen häufig gar nichts von einem Geschäftsabschluss. Viele zahlen trotzdem, weil sie eingeschüchtert sind. Oft gebe es auch ein „unheilvolles Zusammenspiel“ zwischen unlauterem Inkasso und Telefonwerbung, sagt FDP-Verbraucherexperte Erik Schweickert. Vorgeschrieben werden sollen nun klare Informationen, für wen ein Geldeintreiber arbeitet, worauf die Forderung beruht und wie sich die Kosten zusammensetzen. Denn mit Fantasie-Gebühren - etwa zur Ermittlung unverändert gebliebener Adressen - kann es nach Beobachtung der Verbraucherzentralen schnell teuer werden, wenn es um Bagatellforderungen von einigen Euro geht.
Wie sollen überteuerte Massenabmahnungen bekämpft werden?
Quer durch die Republik verschicken Anwälte Tausende Abmahnungen an Internet-Nutzer. Beanstandet werden meist illegal heruntergeladene Musik, Filme oder Computerprogramme - verbunden mit einer Abmahnung, die rasch mehrere Hundert Euro ausmachen kann. Das Gesetz solle verhindern, dass sich Kanzleien ein Geschäftsmodell mit massenhaften Abmahnungen für Bagatellverstöße aufbauten, sagt Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Generell soll für erste Abmahnungen ein Limit von 155,30 Euro gelten. Abweichungen sind nur bei „besonderen Umständen“ möglich, die zu erläutern sind. „Die Ausnahmeregelung muss gestrichen werden“, fordert der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Gerd Billen.
Wie geht es weiter?
Das Gesetzespaket muss nun noch durch Bundestag und Bundesrat - und Diskussionen zeichnen sich schon ab. „Mehr Schein als Sein“, moniert etwa Baden-Württembergs Verbraucherminister Alexander Bonde (Grüne). Für seine bayerische Amtskollegin Merk geht der Entwurf in die richtige Richtung. „Er braucht aber mehr Biss, um in der Praxis wirklich wirken zu können.“ Inkassofirmen müsse etwa klar verboten werden, unzulässigen Druck auszuüben. Die Verbraucherzentralen sehen die Zeit knapp werden. Klappt die Verabschiedung im Bundestag bis zur Wahl im September nicht, gäbe es bis 2015 gar keinen Abzocke-Schutz.