Wo war ich gerade? - Ohne Ablenkung am PC arbeiten

Berlin (dpa/tmn) - Das Internet ist fürchterlich nützlich, lenkt aber auch fürchterlich von der Arbeit ab. Wer „Aufschieberitis“ bekämpfen will, kann Facebook oder YouTube mit Tools blocken oder aufpoppende E-Mails ausblenden.

Worum geht's noch mal? Ach ja: Viele kleine Ablenkungen bremsen die Arbeit am Computer. Alle paar Minuten poppen E-Mails auf, das Lieblings-Nachrichtenportal im Netz berichtet von dramatischen Ereignissen in der Welt, und nur einen Klick weiter lockt ein Pausen-Chat mit den Facebook-Freunden. Da wird es ganz schön schwer, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren. Einige Programme versprechen Hilfe im Kampf gegen die Ablenkung. Ganz ohne Selbstdisziplin geht es aber nicht.

Wahrscheinlich ist es ein schwacher Trost: Dass wir Menschen uns so leicht ablenken lassen, ist ein Resultat der Evolution. Wenn sich in der Umgebung etwas bewegt, richtet sich die Aufmerksamkeit darauf - Orientierungsreaktion nennen das Psychologen. Früher diente das dem Überleben. Es könnte ja ein Säbelzahntiger um die Ecke biegen.

Lebensgefährliche Bedrohungen gibt es im Büroalltag kaum. Doch der Instinkt bleibt. Und er werde in der „schnelllebigen Arbeitswelt“ mit zahlreichen Ablenkungen gefüttert, sagt Andreas Zimber von der Fachhochschule Heidelberg. Etwa den immer wieder aufblinken E-Mails. Hinzu kommt: „Weil das Medium so schnell ist, erwarten alle, dass man auch schnell antwortet“, sagt der Professor für Wirtschaftspsychologie.

Daraus ergeben sich zwei Probleme. Zum einen fehle häufig die Konzentration für wichtige Aufgaben, sagt Zimber. Wer sich auf ein Thema konzentriert, arbeitet effizienter, muss sich aber trotzdem weniger anstrengen. „Aus Befragungen wissen wir, dass Unterbrechungen der Arbeit als eine Haupt-Störungsquelle gelten.“ Zum anderen böten die vielen Ablenkungen dankbare Gelegenheiten, um unliebsame Punkte auf der To-do-Liste aufzuschieben: „Da regiert das Lustprinzip, ich wähle die angenehme Aufgabe“, weiß Zimber.

Was also tun? Zimber rät zu einer Abschottungsstrategie. Wer kann, sollte feste Büro- und Sprechzeiten einrichten, für wichtige Aufgaben das E-Mail-Fach schließen und seine zeitweilige Isolation auch offensiv nach außen zu kommunizieren. So seien nicht drei oder vier Informationskanäle gleichzeitig offen. „Das wird von den Kollegen in der Regel akzeptiert“, sagt Zimber.

Einige Textverarbeitungsprogramme machen von sich aus die Schotten dicht. Der Focus Writer zum Beispiel überdeckt alle offenen Fenster und zeigt nur den Text in einer reduzierten Ansicht. Die Bedienung taucht erst auf, wenn Nutzer den Mauszeiger zum Bildschirmrand bewegen. Wer sich motivieren will, kann sich Schreibziele setzen, entweder eine bestimmte Dauer oder eine bestimmte Zahl an Wörtern. Das kostenlose Programm läuft auf Windows, Mac OS X und Linux.

Oft lauert die Ablenkung aber woanders - etwa wenn man etwas Wichtiges im Internet nachgucken muss, aber dann doch bei Facebook hängenbleibt. Zwei Browser-Erweiterungen versprechen, zielloses Surfen zu stoppen. Stay Focused begrenzt für Chrome die Online-Zeit auf ein frei einstellbares Limit. Welche Websites auf die Tabu-Liste sollen, bestimmen Nutzer selbst - so lassen sich typische Zeitkiller wie Videoportale, Spiele oder soziale Netzwerke ausgrenzen, ohne dass nützliche Seiten wie Wörterbücher oder die Wikipedia betroffen sind.

Leech Block erledigt ähnliches für Firefox oder den Explorer: Wer eine blockierte Seite aufruft, bekommt ein Verbotsschild zu sehen. Der kostenlose URL-Blocker arbeitet unabhängig vom Browser.

Ein Funken Disziplin ist aber nötig. Denn zum einen müssen von „Aufschieberitis“ befallene Nutzer die Zeitkiller ehrlich auflisten - am besten in einem Moment der Reue. Zum anderen können gewiefte Selbstbetrüger auf andere Browser ausweichen oder den Rechner neu starten und so die Programme austricksen.

Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung - getreu diesem Motto messen Programme wie RescueTime, wie viel Zeit für welche Aktivitäten draufgeht. Die Software für Windows- und Mac-Computer dokumentiert in der kostenlosen Basisversion, welche Programme und Webseiten geöffnet sind, die kostenpflichtige Variante bricht den Zeitverbrauch auf einzelne Dokumente herunter. Beides kann entlarvend sein. Zudem bietet das Programm an, für eine „Focus Time“ bestimmte Aktivitäten zu blockieren.

Freiberufler, deren Zuhause gleichzeitig Büro ist, tun sich einen Gefallen, wenn sie für Arbeit und Freizeit einen eigenen Rechner haben. Bei den heutigen Hardwarepreisen ist das auch kein Problem mehr. Die Informationsflut lässt sich so kanalisieren.

Wichtig ist, dass die Tools gegen die Ablenkung nicht selbst zur Ablenkung werden. „Technische Hilfen sind nur nützlich, wenn sie nicht noch zusätzlich Arbeit machen“, sagt Psychologe Zimber. Und er mahnt: „Technische Lösungen machen nicht das Problem der fehlenden Selbstdisziplin wett.“