Worum es bei der Klage eines Flüchtlings gegen Facebook geht

Würzburg. Ein syrischer Flüchtling klagt gegen Facebook. Er will, dass das Online-Netzwerks alle geteilten Beiträge, in denen er verleumdet wurde, findet und löscht. Der Fall könnte wichtige Weichen für die Zukunft stellen.

Anas M. (l) sitzt im Landgericht Würzburg neben seinem Rechtsanwalt Chan-jo Jun. Der syrische Flüchtling Anas M. hat eine einstweilige Verfügung gegen das soziale Netzwerk Facebook beantragt, weil ein Selfie, das er mit Angela Merkel gemacht hatte, mehrfach neben Fahndungsfotos von Terroristen montiert wurde.

Foto: Karl-Josef Hildenbrand

Was war der Auslöser des Verfahrens? Der syrische Flüchtling Anas M. wurde in zwei Facebook-Beiträgen verleumdet: In einem hieß es, er habe einen Obdachlosen in Berlin angezündet, im anderen wurde er mit dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche in Verbindung gebracht. Eingebaut in die Posts wurde ein Selfie, das er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gemacht hatte - versehen mit einer Schlagzeile der Art „Merkel machte ein Selfie mit dem Täter“. Die Beiträge wurden mehrere hundert Mal bei Facebook geteilt.

Warum zog Anas M. vor Gericht?

Er will erreichen, dass Facebook nicht nur die beiden verunglimpfenden Ausgangs-Beiträge löscht, sondern auch verpflichtet wird, alle Posts, in denen die falschen Aussagen weiterverbreitet („geteilt“) wurden, zu entfernen. Nach derzeitiger Praxis von Facebook muss ein Nutzer jeden Beitrag, in dem er seine Persönlichkeitsrechte verletzt sieht, einzeln selbst an das Online-Netzwerk melden. Am Montag ging es zunächst um eine einstweilige Verfügung als Sofortmaßnahme, das Gericht traf jedoch keine Entscheidung und vertagte sich.

Geht es in dem Prozess um „Fake News“ - oder eigentlich um etwas anderes?

„Fake News“, also bewusst falsche Nachrichten, verbreiteten sich zuletzt unter anderem im US-Präsidentschaftswahlkampf. Zwei Falschmeldungen, nämlich die beiden unwahren Behauptungen über Anas M., sind Auslöser für den Prozess. Im Kern geht es aber um die grundsätzliche Frage, inwieweit ein Online-Netzwerk sich selbst auf die Suche nach rechtswidrigen und damit zu löschenden Informationen in seinen Systemen machen muss. Dabei kann es um alle Arten rechtswidriger Beiträge gehen - vom verletzten Urheberrecht an Bildern bis zur Volksverhetzung. Die beiden Ausgangs-Posts mit dem Bild des Flüchtlings wurden gelöscht, weil sie Persönlichkeitsrechte verletzen, nicht allein weil sie falsche Informationen enthielten.

Wie viel hat der Prozess dann mit der politischen Debatte um „Fake News“ zu tun?

Nicht so viel. Denn Persönlichkeitsrechte zu verletzen - online wie offline -, ist nach der derzeitigen Rechtslage schon nicht erlaubt. Politische Vorstöße, die „Fake News“ in sozialen Netzwerken verbieten wollen, zielen in eine andere Richtung: Dort geht es darum, Beiträge schon deshalb zu löschen, weil sie nicht der Wahrheit entsprechen. Der Prozess könnte aber auch auf diese Debatte Einfluss haben, weil er zeigen könnte, zu was Facebook nach derzeitiger Rechtslage schon verpflichtet werden kann.

In welchen Fällen machen sich Nutzer strafbar, wenn sie Beiträge teilen, die Persönlichkeitsrechte verletzen?

Eine Haftung sei immer dann möglich, wenn sie sich die fremde Falschmeldung inhaltlich zu eigen machten, erklärte der auf Internet-Recht spezialisierte Anwalt Christian Solmecke. „Nutzer, die eine Falschmeldung mit einem unterstützenden Kommentar versehen, können also auch rechtlich für eine Falschmeldung verantwortlich gemacht werden.“ Ob das reine Weiterverbreiten ohne zusätzliche Kommentierung eine Rechtsverletzung darstellen kann, sei dagegen höchstrichterlich noch nicht geklärt.