„YouNow“-Chef Adi Sideman verteidigt Videoplattform
New York (dpa) - Nirgendwo auf der Welt wird die Videoplattform „YouNow“ so heiß diskutiert wie in Deutschland - dennoch steigen die Nutzerzahlen. 700 000 vor allem junge Menschen sind hierzulande bereits angemeldet, weltweit nutzen laut Unternehmensangaben täglich zwei Millionen Menschen die Seite.
Das Konzept: Nutzer filmen sich selbst und übertragen Videomaterial ins Internet. Andere können den Anbietenden dann in Echtzeit sehen und über ein Chatfenster mit ihm interagieren. Kinderschützer schlagen Alarm: Könnten Kinder breitwillig Informationen preisgeben, die dann missbraucht werden? Oder sich gar selbst sexuell missbrauchen lassen?
Herr Sideman, haben Sie Kinder?
AdiSideman: Mit dieser Frage habe ich nicht gerechnet. Aber nein, ich habe keine Kinder. Warum?
Angenommen, Sie hätten welche: Was würden Sie tun, um sie fit für den Umgang mit Ihrer Plattform zu machen?
Sidman: Ganz einfach: Ich würde ihnen sagen, dass sie im Internet nichts preisgeben sollen, das sie nicht auch im echten Leben preisgeben würden. Dabei geht es nicht nur um YouNow. Das gilt ganz generell. Das Internet ist ein öffentlicher Platz, das kann gefährlich sein.
In Deutschland gibt es eine hitzige Debatte um „YouNow“. Hat Sie die Schärfe der Diskussion überrascht?
Sidman: Ehrlich gesagt schon. Wir waren darauf nicht vorbereitet. Das ist der Grund, warum es einige Zeit gedauert hat, bis wir reagieren konnten. Natürlich gab es auch in anderen Ländern kritische Stimmen, aber in Deutschland waren die Reaktionen schärfer.
Politiker empfehlen Eltern, ihren Kindern den Umgang damit zu verbieten.
Sidman: Ich stimme vollkommen zu. Kinder unter 13 Jahren sollten YouNow nicht nutzen. Aber dieses Problem ist ja nicht neu. Wir haben das Internet nicht erfunden, sondern halten uns an die Spielregeln. Facebook, Twitter und all die anderen sind von 13 Jahren an zugelassen.
Dort werden Minderjährige aber auch nicht live vor einer Kamera zum Strippen animiert.
Sidman: Solche Dinge kommen nur selten vor. Wenn Sie jetzt auf YouNow gehen würden, würden Sie keine nackten Menschen sehen, niemand würde strippen. Nur weil irgendwer, irgendwo, mitten in der Nacht eine nackte Person findet, nachdem er tagelang danach gesucht hat, heißt das nicht, dass wir einen schlechten Job machen.
Wie wollen sie für Jugendschutz auf der Seite sorgen?
Sidman: Wir haben Moderatoren, die überall auf der Welt sicherstellen, dass keine Regelvorstöße vorkommen. Allein in Deutschland sind es mehr als ein Dutzend. Wir möchten eine sichere Gemeinschaft schaffen. Das kann aber nur funktionieren, wenn auch die Nutzer dazu beitragen und auffällige Aktivitäten melden.
Trotz aller Kritik wächst „YouNow“ schnell. Warum?
Sidman: Richtig, unsere Nutzerzahlen wachsen stetig und das Nutzerspektrum ist weit: Es geht von Menschen, die nicht einsam sein wollen und jemanden zum Chatten suchen, bis hin zu Künstlern, die über unsere Plattform finanziellen Gewinn erzielen. Klar gibt es aber auch bei vielen den Wunsch, berühmt zu werden.
Zur Person: Adi Sideman ist in Israel geboren und gilt als Pionier auf dem Gebiet von nutzergenerierten Webinhalten. Vor „YouNow“ war der 44-Jährige an der Gründung von drei anderen erfolgreichen Internet-Startups beteiligt. Sideman hat interaktive Kommunikation an der „New York University“ studiert und ist seit 2011 „YouNow“-Geschäftsführer. 2014 hat er das Unternehmen vor der Pleite bewahrt, indem er eine Investorengruppe beteiligt hat, die bereits Apple und Twitter in deren Gründungsphase unterstützt hatte.