Zeitungen klagen gegen „Tagesschau“-App der ARD
Köln/Berlin (dpa) - Anderthalb Jahre währt der Streit um die „Tagesschau“-App schon, jetzt hat er eine neue Dimension bekommen: Die Zeitungsverleger machen juristisch Front gegen das mobile Online-Angebot der ARD.
Zu viele Texte ohne Bezug auf TV-Inhalte, lautet der zentrale Kritikpunkt.
Acht Zeitungsverlage haben am Dienstag gegen die umstrittene „Tagesschau“-App für Smartphones und den Tablet-Computer iPad geklagt. Solche kostenlosen Angebote der gebührenfinanzierten Sender gefährdeten die Verlage, argumentierte Christian Nienhaus, Geschäftsführer der WAZ Mediengruppe und NRW-Verlegervorsitzender, der die Klage beim Medienforum NRW in Köln verkündete. „Es geht darum, dass jemand steuerfinanziert kostenlose Inhalte anbietet und damit unsere Märkte kaputt macht“, sagte er.
ARD und ZDF wiesen die Kritik umgehend zurück. „Es kann gut sein, dass unsere sehr erfolgreiche "Tagesschau"-App einigen Verlegern ein Dorn im Auge ist“, sagte die ARD-Vorsitzende und WDR-Intendantin Monika Piel, „aber ihrer Argumentation kann ich nicht folgen: Nicht jeder Text ist eine Zeitung“. Die „Tagesschau“-App ist eine Software, die Inhalte des Online-Angebotes der „Tagesschau“ auf Smartphones (iPhone, Android-Handys, Blackberry sowie den Tablet-Computer iPad bringt.
ZDF-Intendant Markus Schächter kritisierte die Klage als „Schlacht von gestern“. Sein Nachfolger, Programmdirektor Thomas Bellut, fand mäßigende Worte: „Das Letzte, was ich will, ist, den Tageszeitungen Konkurrenz zu machen und ihre wirtschaftliche Lage zu verschlechtern. Wir wollen im Internet nicht den Job der Tageszeitungen machen“, sagte er der „Allgemeinen Zeitung“ in Mainz (Mittwochausgabe). Das ZDF wolle seine Textangebote, „die ohnehin bei Weitem nicht so erfolgreich sind wie unsere Bewegtbilder-Angebote, auf dem niedrigst möglichen Stand halten.“ Er sei „lebhaft interessiert, diesen Konflikt zu entschärfen“, sagte Bellut, der im März 2012 Schächter als Intendant nachfolgt.
NDR-Intendant Lutz Marmor rief zur Zusammenarbeit auf: „Die Verleger sollten lieber gemeinsam mit uns versuchen, Journalismus und Informationskompetenz im Dienste der Demokratie zu stärken, als gegeneinander zu arbeiten.“
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hatte am Dienstag Klage gegen die „Tagesschau“-App beim Landgericht Köln eingereicht. Zentraler Punkt: Die Anwendung für mobile Minicomputer sei rechtswidrig, weil sie zu viel Textmaterial enthalte, das nicht sendungsbezogen sei. Hörfunk- und fernsehähnliche Inhalte blieben von der verlegerischen Kritik unberührt, betonte der BDZV.
Die Klage wurde nach BDZV-Angaben bei der Wettbewerbskammer eingereicht. Wie Nienhaus sagte, gehören zu den Klägern die WAZ Mediengruppe, der Axel Springer Verlag („Welt“, „Bild“), die „Süddeutsche Zeitung“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die Medienholding Nord, die Verlage M. DuMont Schauberg und Lensing-Wolff sowie die „Rheinische Post“.
„Die Ministerpräsidenten schauen untätig zu, wie mit Gebührengeldern umfänglich Pressetexte geschrieben und digital verbreitet werden. Es bedarf in Deutschland aber keiner staatsfinanzierten Presse“, sagte BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff laut einer Mitteilung. Die Verlagshäuser stützen sich bei ihrer Wettbewerbsklage auf den Rundfunkstaatsvertrag der Länder, der „presseähnliche“ digitale Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender ohne konkreten Bezug zu einer TV-Sendung verbietet.
ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke hatte die „Tagesschau“-App bereits Weihnachten 2009 als neues kostenfreies öffentlich-rechtliches Angebot angekündigt - just zu dem Zeitpunkt als auch etliche Verlage Bezahl-Apps an den Markt brachten. Ein Jahr später war die „Tagesschau“-Applikation trotz heftiger Kritik aus den Reihen der Verleger auf dem Markt.
Nach dem sogenannten Drei-Stufen-Test, mit dem öffentlich-rechtliche Online-Angebote auch auf ihre wirtschaftlichen Auswirkungen im Markt überprüft werden müssen, hatte die ARD der App grünes Licht gegeben und berief sich dabei auf „Technikneutralität“: Die Gebührenzahler könnten die „Tagesschau“ auf dem technischen Wege empfangen, den sie für ihre persönlichen Bedürfnisse gewählt hätten, hieß es damals.