Zweite Chance für Schüchterne - So funktionieren Spotted-Seiten
Landshut (dpa/tmn) - „Gleich spreche ich sie an!“ Schüchterne brauchen manchmal zu lange, um auf spontan sympathische Menschen zuzugehen. Ist der oder die Angebetete plötzlich weg, muss dank sogenannter Spotted-Seiten im Internet aber noch nicht alles verloren sein.
Er hatte dunkle Haare, kam mit zwei Freundinnen in die Disco und überragte alle anderen um einen Kopf. Anna* sah ihn an dem Abend immer wieder. Ihn anzusprechen traute sie sich nicht, vergessen konnte sie ihn aber ebenfalls nicht. Heute sind die beiden ein glückliches Paar, wiedergefunden haben sie sich über die Spotted-Webseite „Landshut at Night“ bei Facebook. Verpasste Chancen können auf solchen Plattformen nachgeholt werden. Zu viel sollten selbst Schwerverliebte dort aber nicht preisgeben.
Spotted-Seiten gibt es mittlerweile für fast jede Stadt und sogar Verkehrsverbünde. Wer das süße Mädchen in der S-Bahn zum Alexanderplatz nicht ansprechen konnte, kann sie zum Beispiel auf der Spotted-Seite der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) vielleicht wiederfinden. Beliebt sind Spotted-Seiten auch für Universitäten. Oft haben sogar einzelne Bibliotheken ihre eigene Spotted-Seite bei Facebook, dazu gibt es Seiten wie bibflirt.de für Begegnungen am Bücherregal.
Die Plattformen funktionieren immer nach dem gleichen Prinzip: Nutzer verfassen eine kurze Beschreibung des oder der Gesuchten, die jeder auf der Webseite lesen kann. Wer Hinweise hat oder sich wiedererkennt, schickt eine Nachricht an den Seitenbetreiber, auf manchen Seiten kann er den Suchenden sogar direkt kontaktieren.
Alt ist der Trend noch nicht: Die meisten deutschen Spotted-Seiten auf Facebook wurden Ende 2012 und Anfang 2013 gegründet, schon jetzt geht die Zahl der „Likes“ — also der positiven Bewertungen — bei vielen Seiten in die Tausende. „Die emotionalen Hürden, solche Gesuche online aufzugeben, sind in den letzten Jahren stark gefallen“, sagt Kai Strehler, der die Seite spotted.de betreibt. „Inzwischen findet ja sowieso ein großer Teil unserer Kommunikation, Organisation und Arbeit online statt.“ Spotted.de betreibt und sammelt Links zu verschiedenen derartigen Seiten bei Facebook.
Auch Anna hat ihren neuen Freund Alex* schließlich über das Soziale Netzwerk gefunden. Ihr erstes Date hatten sie in der Disco, in der Anna Alex zum ersten Mal gesehen hatte. Eine gute Wahl, sagt Andreas Mayer, Geschäftsführer der Polizeilichen Kriminalprävention des Bundes und der Länder: „In solchen Situationen sollte man sich immer an einem öffentlichen Ort mit Publikumsverkehr und möglichst auch nicht allein mit dem anderen treffen.“
Unangenehme Erfahrungen sind so unwahrscheinlicher, denn nicht jeder Kontakt über das Internet findet ein romantisches Ende. Stalker könnten über Spotted-Seiten Namen, vielleicht sogar Adresse oder Arbeitgeber eines künftigen Opfers ausfindig machen, warnt Mayer. Mobbing kann es zum Beispiel geben, wenn sich Dritte mit unpassenden Kommentaren einmischen. Das seien aber Einzelfälle, schränkt der Kriminaloberrat ein: „Ich will das nicht verteufeln.“
Um Schwierigkeiten zu vermeiden, sollten Spotted-Nutzer genau wie in anderen Sozialen Netzwerken sparsam mit persönlichen Daten umgehen. Den ersten Kontakt nehmen sie am besten über den Betreiber der Spotted-Seite auf, statt öffentlich Facebook-Informationen oder E-Mail-Adressen auszutauschen.
In einigen Fällen landen durch Spotted-Seiten aber auch persönliche Daten der Gesuchten ohne deren Zustimmung im Netz. „Die Wahrscheinlichkeit der Identifikation ist natürlich sehr hoch“, sagt Andreas Mayer. Kritisch wird es zum Beispiel, wenn das Aussehen oder auch das Auto von Personen zu detailliert beschrieben werden. Wer zu viele Details über sich auf einer Spotted-Seite findet, kann den Eintrag aber meistens vom Seitenbetreiber löschen lassen. Das gleiche gilt, wenn wohlmeinende Freunde die Anzeige lesen und ohne Rücksprache direkt das Facebook-Profil oder die E-Mail-Adresse des Gesuchten posten.
Beim Verfassen der Spotted-Anzeige ist also ein wenig Fingerspitzengefühl gefragt: Zu viele Details sollen es nicht sein, zu wenige auch nicht. Subjektive Angaben wie „schönes Lächeln“ helfen zum Beispiel kaum weiter. Besser und sicherer seien dagegen Formulierungen, bei denen sich nur die gesuchte Person angesprochen fühlt, rät der Kieler Datenschützer Thilo Weichert. Ein Beispiel: „Ich suche dich, dem gestern im Club X die Cola heruntergefallen ist.“
Wer sich bei der Kontaktaufnahme geschickt anstellt, findet auf einer Spotted-Seite aber vielleicht tatsächlich die nächste große Liebe - oder bekommt wenigstens eine zweite Chance. „Dass man sich nicht getraut hat, aber nicht aufhören kann, an den anderen zu denken, ist ein ganz reales Gefühl“, sagt Kai Strehler. „Damit sind Gesuche auf Spotted-Seiten vielleicht nur moderne Liebesbriefe.“
*Namen von der Redaktion geändert