Nach Angriffen Schwere Schäden durch massive russische Raketenangriffe

Kiew · Sieben Millionen Haushalte in der Ukraine zeitweise ohne Strom - das ist nach Kiewer Angaben eines der Ergebnisse einer Welle russischer Luftangriffe. Doch Präsident Selenskyj macht seinen Leuten Mut.

Trotz der Treffer bekräftigte Präsident Wolodymyr Selenskyj den Durchhaltewillen der Ukraine.

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Mit über 90 Raketen und Marschflugkörpern hat Russland am Dienstag das Energiesystem der Ukraine angegriffen und schwere Schäden verursacht. Es war ukrainischen Militärangaben zufolge der bislang massivste Angriff auf die Infrastruktur seit Kriegsbeginn vor gut acht Monaten. Etwa sieben Millionen Haushalte saßen den Behörden zufolge am Dienstag zeitweise im Dunkeln, weil der Strom ausfiel oder abgeschaltet werden musste.

Zwar sei es gelungen, etwa 70 der anfliegenden Geschosse abzuschießen, teilte das ukrainische Präsidialamt in Kiew mit. Doch 15 Objekte der Energieversorgung in verschiedenen Landesteilen seien getroffen worden, sagte Vizechef Kyrylo Tymoschenko im Nachrichtendienst Telegram. Auch die Hauptstadt Kiew wurde getroffen, wobei nach Behördenangaben eine Frau getötet wurde.

Trotz der Treffer bekräftigte Präsident Wolodymyr Selenskyj den Durchhaltewillen der Ukraine. Der Feind werde sein Ziel nicht erreichen, sagte der 44-Jährige in einer Videobotschaft. Alles werde repariert und die Stromversorgung wieder hergestellt. Gleichzeitig lobte er mit geballter Faust die Ukrainer: „Ihr seid Prachtkerle!“ Außenminister Dmytro Kuleba verlangte, die in Indonesien tagende G20-Gruppe führender Wirtschaftsmächte solle den Angriff verurteilen.

Die US-Regierung verurteilte die Raketenangriffe Russlands umgehend. „Während die Staats- und Regierungschefs der Welt auf dem G20-Gipfel auf Bali zusammenkommen, um Fragen zu erörtern, die für das Leben und Auskommen der Menschen auf der ganzen Welt von großer Bedeutung sind, bedroht Russland erneut diese Leben und zerstört die kritische Infrastruktur der Ukraine“, teilte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, mit.

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe wurden 73 Marschflugkörper und Raketen sowie 17 Drohnen abgeschossen. Der Angriff sei heftiger gewesen als Anfang Oktober kurz nach dem Anschlag auf die Brücke zur von Russland 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim, sagte Sprecher Jurij Ihnat im Fernsehen. Damals waren 84 Raketen auf die Ukraine abgefeuert worden.

Tymoschenko bezeichnete die Situation nach den Einschlägen in Bezug auf die Energieinfrastruktur als „kritisch“. „Die meisten Treffer wurden im Zentrum und im Norden des Landes festgestellt“, schrieb er im Nachrichtendienst Telegram. Der staatliche Energieversorger Ukrenerho habe zu außerordentlichen Stromabschaltungen übergehen müssen, um das Netz zu stabilisieren. Tymoschenko forderte die Bevölkerung zum Stromsparen auf.

In Kiew war den Behörden zufolge etwa die Hälfte der Stadt ohne Strom. Zeitweise fuhr die U-Bahn nicht, dafür stauten sich die Autos stundenlang auf den Straßen. Über der Hauptstadt dauerte der Luftalarm am Dienstag knapp vier Stunden. Im westukrainischen Gebiet Ternopil waren nach Angaben der regionalen Behörden 90 Prozent der Verbraucher ohne Strom. In der Stadt Lwiw waren es 80 Prozent. Deshalb seien auch Heizung und die Versorgung mit warmem Wasser ausgefallen, teilte Bürgermeister Andrij Sadowyj mit.

Die staatlichen Eisenbahnen warnten vor Zugverspätungen von bis zu einer Stunde. Wegen möglicher Stromausfälle seien Dieselloks als Reserve bereit gestellt worden.

Russland ist Ende Februar in die Ukraine einmarschiert. Nach militärischen Rückschlägen und dem Rückzug aus gut der Hälfte der eroberten Gebiete setzt Moskau verstärkt auf Schläge zur Ausschaltung der Stromversorgung. Kiew will daher vom Westen Unterstützung bei der Raketen- und Drohnenabwehr.

(AFP)