Ende der „Lin-Sanity“: Basketballer geht - NYC weint

New York (dpa) - Jähes Ende eines Basketball-Märchens: Drei dürre Worte besiegelten, was viele New York Knicks-Fans schon seit Wochen düster geahnt hatten. „Es ist vorbei“, raunte ein Sprecher von Knicks-Besitzer James Dolan.

Bis Dienstag um Mitternacht hätte das NBA-Team Zeit gehabt, Jeremy Lin, den unbestrittenen Shootingstar der vergangenen Saison, zu halten - aber sie rührten sich nicht und ließen Fan-Liebling Lin zu den Houston Rockets ziehen. „Wie konnte New York das zulassen?“, fragte die „New York Times“ am nächsten Tag. Die Rockets kündigten unterdessen an, dass Lin-Trikots mit der Nummer 7 ab sofort bestellt werden können.

Etwa 25 Millionen Dollar (rund 20 Millionen Euro) wird Aufbauspieler Lin in den kommenden drei Jahren bei den Houston Rockets verdienen. Die Knicks hätten aufgrund komplizierter NBA-Steuerregeln für das gleiche Gehalt noch einmal viele Millionen Dollar zusätzlich an die Liga zahlen müssen - insgesamt wäre wohl eine Summe von rund 50 Millionen Dollar (etwa 40 Millionen Euro) dabei herausgekommen, schätzt die „New York Times“. So viel Geld für einen jungen Basketballer, der völlig unbekannt war, bevor er wie aus dem Nichts heraus den punktreichsten Start in der Geschichte der modernen NBA hinlegte? Der 26 Mal großartig spielte und sich dann am Knie verletzte und für den Rest der Saison nicht mehr auflaufen konnte? Die Knicks entschieden sich dagegen.

In New York brach daraufhin ein Sturm der Entrüstung los. „Die Knicks haben den Fehler des Jahrhunderts gemacht“, schrieb ein Fan beim Online-Kurznachrichtendienst Twitter. Viele andere drohten damit, sofort zum Konkurrenz-Team Brooklyn Nets zu wechseln. Sogar für ein Gewitter, das am Mittwoch über New York tobte, wurden die Knicks verantwortlich gemacht. „Seht, was Ihr gemacht habt! Ihr habt die Götter verärgert, indem ihr Jeremy Lin habt gehen lassen!“

Ein Fan verpackte seine Enttäuschung in eine Cover-Version des Liedes „Somebody that I used to know“, die er als „Jeremy Lin that I used to know“ ins Internet stellte: „Ich wünschte, sie hätten für dich bezahlt. Jetzt spielst du für die Rockets und sie werden es trotzdem nicht packen.“ Andere Stimmen warfen Lin aber auch Geldgier vor. Die Knicks hätten die finanziell richtige Entscheidung getroffen.

Lin war für die Knicks nicht irgendein Spieler. Bei der Verlosung der Talente 2010 war der Sohn taiwanesischer Eltern zunächst von allen Teams verschmäht, in der Saison darauf gleich zweimal entlassen worden. Die Knicks erbarmten sich, aber da der Vertrag anfangs kurzfristig kündbar war, schlief der Harvard-Absolvent erstmal auf der Couch in der Studentenbude seines Bruders. Als er wegen vieler Verletzungen im Team doch noch für die Knicks auflaufen durfte, legte er 26 fulminante Auftritte hin, riss Manhattan in nur wenigen Wochen aus der sportlichen Melancholie und wurde zum Idol der asiatischen Einwanderer in den USA. Das Märchen von „Lin-derella“ ging in die Basketball-Geschichte ein.

Die „Lin-sanity“ - quasi der „Wahn-Lin“ - kannte keine Grenzen: Sein Trikot fand reißenden Absatz, Fans versammelten sich auf der Straße, um gemeinsam Lin zuzusehen, und sogar „Lin-Burger“ wurden in Manhattans Restaurants verkauft. „'Lin-sanity' war die unterhaltsamste Periode der Knicks in den letzten zehn Jahren“, schrieb die „New York Times“.

Auch seine Knieverletzung tat dem Trubel um den Lin-tendo vom Madison Square Gard-Lin nur wenig Abbruch. Ganz New York hoffte auf eine Fortsetzung des Märchens mit einem wiedergenesenen Lin - auch der 23-Jährige selbst. „Ehrlich gesagt hätte ich es vorgezogen, in New York zu bleiben“, sagte er „SportsIllustrated.com“ und twitterte, das Jahr bei den Knicks sei das beste seines Lebens gewesen. Aber auch: „Ich bin sehr aufgeregt und geehrt, wieder einer von den Rockets zu sein.“

Die Rockets aus Texas, bei denen Lin im vergangenen Jahr schon einmal kurzfristig gespielt hatte und dann wieder entlassen worden war, freuen sich auf ihren neuen Shootingstar - haben aber auch schon angekündigt, dass jetzt härtere Zeiten anbrechen werden. „Kein Wahnsinn mehr! Es wird keine Wortspiele mit Lin mehr geben. Das einzige, was zählt, ist, dass er spielen kann.“